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Die Gartenkunst — 29.1916

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Löther, C.: Der Park von Schloß Wattignies bei Lille
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Schneider, Camillo: Amerikanische Beobachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0066

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mit reizvollen Verwindungen. Wundervoll ist,
wie so häufig in Flandern, der Obstgarten. Die
Kesselform der Anlage fängt die Hitze, und die
architektonisch geformten Mauern sind mit schö-
nen Spalierformen geziert. Vier Tore bilden die
Wegeabschlüsse, die nach dem Blumengarten
führen.

Im Plan und den Schaubildern sind einige
Änderungen gegen den heutigen Zustand im
Sinne der ursprünglichen Absicht enthalten; sie
sind älteren Plänen und Nachrichten des alten
Gärtners entnommen.

Eigentlich verdient Wattignies seinen Bei-
namen „Petit Versailles" nicht ganz zu recht.
Es fehlt die Pracht, der Glanz, der Prunk. Es
ist ein stilles Stück Natur voll abgewogener edler
Schönheit im Ganzen. Diese alte Gartenkunst
ist Natur geworden, still verträumt, während
eine neue junge Gartenseele unter dem Fittich
heranzuwachsen beginnt. Werden, Bestehen und
Vergehen!

Wann setzt bei unseren alten Schöpfun-
gen das „Werden" wieder ein? Im guten Sinne?

Werden wir lernen auch Straßen, Alleen,
Ufer, Plätze, Spielplätze, Bahnen, Hausgärten,
Parks und Friedhöfe rhythmisch zu pflanzen?

Dann haben wir vielleicht nach einer fran-
zösischen, einer englischen auch eine deutsche
Gartenkunst.

Amerikanische Beobach-
tungen.

Von Camillo Schneider, Wien, zurzeit im Arnold
Arboretum, Jameica Piain, Mass.

Bald zwei Jahre sind vergangen, seit ich
Wien verließ und die „Gartenkunst" nicht zu
sehen bekam. Erst jetzt, anfangs Oktober, konnte
ich in der hübschen Bücherei der Abteilung für
Gartenkunst in der Harvard-Universität in Cam-
bridge-Boston unsere Zeitschrift wieder ein-
sehen. Natürlich überlas ich zuerst die auf den
Krieg bezüglichen Berichte und fühlte es von
neuem schwer auf mir lasten, nicht dabei sein
zu können. Aber mit diesem Schicksal muß man
sich abfinden.

Aus einem kleinen Bericht über die China-
reise der Dendrologisdien Gesellschaft für Öster-
reich-Ungarn ersah ich, daß man meiner mit
freundlicher Teilnahme gedachte. Es sei mir je-
doch gestattet, einige erklärende Worte über
den Ausgang der Reise zu sagen, um jedem Miß-
verständnis vorzubeugen. Als der Krieg aus-
brach, befand ich mich in Li-tschiang-fu im
Nordwesten der chinesischen Provinz Yunnan,
etwa 14—16 Tagereisen von der Hauptstadt
Yunnan-fu entfernt. Zunächst gehörte ich nicht
zu den Aufgebotenen, da ich „Landsturm" bin.

Ich konnte auch nicht nach Tsingtau gehen, da
das in der sommerlichen Regenzeit eine Reise
von etwa 2 12 Monaten Dauer durch ganz China
bedeutet hätte und ich gar nicht rechtzeitig da-
hin gekommen wäre, um noch hineinzugelangen.
Deshalb war es das einzig Richtige für mich, dem
telegraphischen Rate des deutschen Konsuls in
Yunnan-fu zu folgen und meine Tätigkeit nicht
zu unterbrechen. Somit ist die Reise Ende 1914
ganz in der geplanten Weise zum Abschluß ge-
langt. Die Ergebnisse waren recht gute, und ich
hatte durch den Krieg nur insofern Verluste, als
einige hundert photographische Platten, die ich
bis anfangs Juli (am 5. Juli erhielt ich die Nach-
richt vom Morde in Sarajewo) über Sibirien zur
Post gab, in Rußland verloren gingen. Sonst
sind die Sammlungen in Sicherheit, und die wert-
vollen Sämereien gelangten von Amerika über
Norwegen sicher nach Oesterreich und Deutsch-
land.

Ich ging mit Beginn des Jahres 1915 von
Yunnan-fu über Land und den Yangtse hinab
nach Shanghai und traf Mitte April in San Fran-
cisco ein.

Schon oft hatte ich gewünscht, die Zustände
im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten aus
eigener Anschauung kennen zu lernen. Dieser
Wunsch wurde mir jetzt durch den Krieg erfüllt,
sodaß ich mir ein eigenes Urteil über manches
bilden kann, was mir bisher noch unbekannt
oder zweifelhaft war.

Amerika ist ja in der Tat eine neue Welt
und noch dazu eine junge. Die Vereinigten
Staaten stellen ein in der Entwicklung begrif-
fenes neues Volkstum dar, das nicht mehr das
ist, was seine Eltern waren, aber auch noch nicht
deutlich erkennen läßt, was es werden wird.
Wir können hier in der Tat von unbegrenzten
Möglichkeiten sprechen, nur dürfen wir nicht
glauben, daß hier europäische, oder besser
deutsche Ideale in Erfüllung gehen. So reif und
vollendet der Durchschnittsamerikaner (und hier
herrscht der Durchschnittsmensch mehr als irgend-
wo bei uns) sich dünkt, so überlegen er gern auf
die alte Welt schaut, so sehr übersieht er, daß
sein Land noch Jahrhunderte zu durchleben hat,
ehe es sich eigene — amerikanische! — Züge
aufprägt. Bis jetzt kann von einer Kultur (im
deutschen Sinne des Wortes), d. h. von einem
Eigenleben des Volkes noch kaum die Rede sein.
Selbst wenn man nur die Zivilisation, die tech-
nische Wohlfahrt (im Gegensatz zur geistigen
Kultur), ins Auge faßt, dürfte ein Vergleich noch
recht zu Gunsten Deutschlands abschließen. Wir
sind gewöhnt, Amerika zu überschätzen. Zum
Teil, weil wir von einzelnen vortrefflichen Ein-
richtungen hören und weil wir vereinzelte Er-
scheinungen für typische Züge zu halten geneigt
sind; zum Teil weil wir überhaupt schlecht oder
einseitig über die Verhältnisse hier unterrichtet

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