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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.: Zur dritten Kriegs-Jahreswende!
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0001

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Zur dritten Kriegs-Jahreswende!

Abermals hat sich ein Jahreswechsel —
der dritte seit Kriegsausbruch — vollzogen
und noch ist trotz Friedens-Noten die Rück-
kehr unserer bei den Fahnen stehenden
Volks- und Berufsgenossen zur gewohnten
Tätigkeit nicht in greifbare Nähe gerückt.
Wer hätte das im August 1914 vorausge-
ahnt! — Die damalige Umkehrung aller
Verhältnisse vollzog sich so plötzlich und
unter Anspannung unseres gesamten Den-
kens, daß wir uns im Kriegszustand befan-
den, ehe wir recht zur Besinnung gekommen
waren. Und inzwischen haben wir uns durch
die lange Dauer so an diesen Zustand ge-
wöhnt, daß wir seine Regelwidrigkeit —
namentlich soweit der allgemeine Gang der
Berufsgeschäfte dadurch betroffen wird —
kaum noch in jeder Beziehung voll empfinden.
Erst bei Vollendung eines Zeitabschnitts,
der einem wieder einen Maßstab für die
lange Dauer dieses Ausnahmezustandes
gibt, hemmt man unwillkürlich den Schritt,
um Umschau und Ausschau zu halten und zu
fragen: Wo stehen wir? Wohin geht der
Weg?

Die Antwort auf solche Fragestellung
ist nicht ganz leicht bei einem Berufe, der,
wie der unserige, dem oberflächlichen Be-
obachter durch den Krieg fast ganz lahm-
gelegt erscheinen könnte. Dies ist aber
keineswegs der Fall, auch die Gartenge-
staltung sowohl in ihrer Einzelbetätigung
wie in ihrer ganzen Entwickelung bewegt
sich trotz des Druckes, unter dem zurzeit alles
steht, fort. Das wird wohl an keiner Stelle
besser wahrgenommen als da, wo der Zu-
sammenhang der Berufsgenossen, im Felde
und in der Heimat, untereinander und mit
der Berufsvertretung, gepflegt und alle Er-
scheinungen beruflichen Lebens, erfreuliche
und unerfreuliche, gebucht werden.

Die Daseinsberechtigung einer solchen
Vermittelungs- und Sammelstelle hat sich
nie deutlicher erwiesen als jetzt, da es gilt,
lebens- und leistungsfähig für die Erfüllung
unserer Aufgaben über die schwere Zeit
hinüberzukommen. Trotz der schmerzlichen
Lücken, die der Krieg in die Reihen unserer
Mitarbeiter gerissen hat, steht der Bau,
in dem die Gartenkunst seit dreißig Jahren
eine Pflegestätte gefunden hat, uner-
schüttert. Das ist eine beruhigende Er-

scheinung, um so mehr, da weit über ein
Drittel der Mitglieder der Deutschen Gesell-
schaft für Gartenkunst im Waffendienste,
ein sehr erheblicher weiterer Bruchteil im
Dienste der Volksernährung steht und Aller
Gedanken durch den Gang der Ereignisse,
geschäftliche Sorgen, persönliche Schicksals-
fügungen u. a. abgelenkt werden. Trotzdem
überall lebhafte Anteilnahme an den Fragen
des Berufs.

Daraus dürfen wir die Sicherheit ge-
winnen, daß die Fäden der Entwickelung,
die in friedlichen Zeiten gesponnen wurden,
nicht abreißen. Das ist sehr wichtig; denn
nach dem Krieg kommt der Frieden, und
dann muß die Berufsarbeit im vollen Um-
fange wieder aufgenommen werden. Daß
sich das nicht mit jener Plötzlichkeit und
Selbstverständlichkeit vollziehen wird, wie
seinerzeit der Übergang vom Friedens- in
den Kriegszustand, ist begreiflich. Auch
darf nicht erwartet werden, daß man nach
dem Kriege einfach da wieder anknüpfen
kann, wo man im August 1914 aufgehört
hat. Die gewaltigen Erschütterungen dieses
beispiellosen Krieges auf allen Gebieten des
Lebens gehen auch an der Gartenkunst
nicht spurlos vorüber. Deshalb ist die Frage
berechtigt: Wo stehen wir? Wohin geht
der Weg?

Den Gang der Entwickelung in Zeiten,
wie wir sie jetzt durchleben, richtig zu be-
urteilen, hat gewisse Schwierigkeiten? Wer
will alle Zeichen, die man wahrnimmt,
richtig deuten? Was der eine für ein Merk-
mal der Zukunftsrichtung ansprechen möchte,
erscheint dem andern nur als eine noch
nicht zum Stillstand gekommene Fortwir-
kung der früheren Entwickelung. Von an-
deren Erscheinungen kann man noch nicht
sicher sagen, ob sie für die Zukunft richtung-
bestimmenden Einfluß gewinnen oder Was-
serschossen am Baum der Entwickelung
gleichen, die trotz anscheinender Üppigkeit
zu dauernder Unfruchtbarkeit verurteilt
sind. Solche Triebe macht gerade der ge-
sunde Baum leicht, wenn die Aufmerksam-
keit des Gärtners zeitweise anderweitig in
Anspruch genommen ist.

Wir gehen zweifellos einer Zeit ent-
gegen, die im Gegensatz zu der vor dem
Kriege unter dem Zeichen ernster wirtschaft-

Gartenkunst Nr. 1, 1917.

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