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Die Gartenkunst — 30.1917

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Tapp, Willi: Jahresberichte der Königl. Gärtnerleranstalten zu Dahlem, Geisenheim und Proskau für 1914 und 1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0079

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Jahresberichte der Königl. Gärtner-
Lehranstalten zu Dahlem, Geisen-
heim und Proskau für 1914 und 1915.

Die Berichte stehen im Zeichen der Zeit. Der
Einfluß des Weltkrieges auf" unser Kultur- und Wirt-
schaftsleben macht sich auch bei unseren Lehranstal-
ten bemerkbar. Die Dauerlehrgänge mußten bei allen
drei Anstalten teilweise geschlossen werden. Eine
um so größere Bedeutung gewannen die kurzen Lehr-
gänge für Garten-, Gemüse- und Obstbau, zu denen
die Sonderlehrgänge für Helfer und Helferinnen des
Kriegsausschusses für Gemüsebau und endlich die
Vorträge für Kriegsbeschädigte traten.

Die großen Personal- und Materialschwierig-
keiten wirkten überaus störend. Um so erfreulicher
erscheint das trotz alledem Geleistete. Daß die
Gartenkunst in den Berichten — mit Ausnahme von
Dahlem vielleicht — noch ein bißchen stiefmütter-
licher behandelt wird als sonst, wollen wir diesmal
den Lehranstalten nicht verübeln. Im Gegenteil! Ein
bekannter bayerischer Abgeordneter prägte vor eini-
ger Zeit das Wort: „Erst Ernährung, dann Bildung."
Es sei mir gestattet, dies treffende Wort für uns
umzuprägen: „Erst Nahrungsmittel — dann Kunst."
Die Nutzanwendung für unsere Lehranstalten liegt
auf der Hand. Das Gebot der Stunde kann nur
sein, mit allen Mitteln die Nutzgärtnerei, vor allem
den Gemüsebau im Groß- und Kleinbetrieb, zu för-
dern und zu heben. Dies Gebot wird erkannt und
zielbewußt im Rahmen desselben gearbeitet. Daß
die Lehranstalten ihre zum Teil umfangreichen Län-
dereien und vorbildlichen Obst- und Gemüseverwer-
tungsstationen der Volksernährung voll und ganz
nutzbar gemacht haben, ist selbstverständlidi.

Auf Einzelheiten einzugehen, verbietet der ver-
fügbare Raum. Ich kann nur einiges, besonders Be-
achtenswertes hervorheben, und im übrigen jedem
Fachmann die Beschaffung der Berichte dringend
empfehlen.

Der Dahlemer Bericht zeigt, daß sich die
Anstalt der Pflichten, die ihr in dieser kritischen
Zeit aus ihrer zentralen Lage erwachsen, wohl be-
wußt gewesen ist. Die Sonderlehrgänge im Rahmen
der Nutzgärtnerei, der Lehrgang für Helfer und Hel-
ferinnen des Kriegsausschusses für Gemüsebau, der
Lehrgang für Kriegsinvaliden und die zahlreich be-
suchten „Vorträge für Kriegsinvaliden und Kriegs-
teilnehmer" beweisen dies. Die letztgenannten Vor-
träge galten dem Thema „Kriegerheimstätten". Die
beigegebenen Leitsätze zu diesen Vorträgen ver-
dienen weitgehendste Beachtung.

An Untersuchungen und Versuchen von prakti-
scher Bedeutung bringt dieser Bericht weniger als
die beiden anderen. Erwähnen möchte ich die ver-
schiedenen Düngungsversuche, die Untersuchungen
über den Einfluß des Düngers auf die Zusammen-
setzung von Beerenobstfrüchten und die hieraus ge-
wonnenen Dauerwaren und endlich den mit zahl-
reichen Abbildungen versehenen Bericht über mikro-
skopische Untersuchungen von Fruchtmark.

Der Geisenheimer Bericht enthält zugleich
die Berichte der dortigen Rebenveredlungsstation
und der Station für Schädlingsbekämpfung Metz.
In kriegswirtschaftlicher Beziehung sind nur die Ar-
beiten der mustergültig eingerichteten Obst- und
Gemüseverwertungsstation zu erwähnen.

Bei der Abteilung Obstbau möchte ich nennen:
den Bericht über die Anbauversuche mit Stachelbeer-
sorten, der beweist, daß wir auch bei den vielen
Stachelbeersorten viel minderwertige und überflüs-
sige haben, die Beobachtungen über die Wirkung
des Fruchtgürtels und den Bericht über Schädlings-
bekämpfung.

Bei der Abteilung Gartenbau sei erwähnt, der
Bericht über Prüfung von Pflanzenneuheiten und
das Kapitel Pflanzenzüchtung. Daß bei zielbewußter,
auf wissenschaftlicher Grundlage beruhender Arbeit,
auf diesem Gebiete noch viel erreicht werden kann,
ist sicher. Der Berichterstatter, Garteninspektor
Glindemann, scheint mir aber auf dem rechten Wege
zu sein, wenn er vor allem das Arbeiten auf dem
Wege der Auslese empfiehlt. Bei der Abteilung
Weinbau seien die zahlreichen Schädlingsbekäm-
pfungsversuche hervorgehoben und die Untersuch-
ungen über Maschinen- und Handveredlungen. Nicht
unerwähnt möchte ich die Arbeiten der wissenschaft-
lichen Abteilungen und der Schädlingsbekämpfungs-
station Metz lassen, und endlich noch auf die neuen,
vielversprechenden Geisenheimer Apfel- und Birn-
sorten hinweisen.

Während die Berichte von Dahlem und Geisen-
heim für 1914 und 1915 jetzt zusammen erscheinen,
blieb der Proskauer Bericht auch im Vorjahr nicht
aus. Der Zusammengehörigkeit wegen sei auch
dieser früher erschienene Kriegsjahresbericht hier
mitbesprochen.

Die Proskauer Berichte werden jedem, der
fordert, daß unsere Fachlehranstalten mit ihren best-
geschulten Kräften und reichen Hilfsmitteln insbe-
sondere auch dem praktischen Gartenbau dienen
sollen, eine besondere Freude bereiten, und wenn
ich betonte, daß die Jahresberichte unserer Lehr-
anstalten in die Hand jedes denkenden Fachmannes
gehören, so gilt dies in ganz besonderem Maße
von diesen Berichten. Bei der Abteilung Obstbau
erwähne ich als besonders beachtenswert: die Ta-
bellen über Erntezeit und Erntemenge bei Himbeeren
und über Erdbeeren, und über Fruchtgröße (Sortier-
gewichte) bei Apfel- und Birnsorten; die Ertrags-
tabellen der Apfel- und Birnbäume; den Bericht
über das Ergebnis der Versuche mit Ringelung und
Fruchtgürtel und die Düngungsversuche bei den ver-
schiedenen Obstarten.

Vorsteher der Abteilung für Gemüsebau, Trei-
berei, Blumen- und Topfpflanzenzucht und der Sta-
tion für Obst- und Gemüseverwertung, ist Garten-
inspektor Langer. Der Name bürgt dafür, daß hier
für Theorie und Praxis ganz besonders fruchtbar
gearbeitet wird. Ich erwähne aus seiner Abteilung
besonders: die Versuche über Anwendung des Warm-
wasserverfahrens bei der Maiblumentreiberei und
die Versuche mit zwei- und dreijährigen Blühkeimen;
die Berichte über Neuheitenprüfung, die Abhandlung
über das umfangreiche Staudenastersortiment der
Lehranstalt; die Berichte über Gemüsebau, insbeson-
dere Feldgemüsebau; über Hilfsmittel im Gemüsebau
und endlich die Zusammenstellung der besten Gemüse-
sorten für Schlesien. Bei den wissensdiaftlichen Ab-
teilungen nenne ich besonders die wertvollen Dün-
gungsversuche bei Topfpflanzen und die Untersu-
chungen über Rauchschäden und die Bekämpfung
pilzparasitärer Krankheiten.

Der Dahlemer Bericht und der Proskauer für
1914 enthalten zugleich die ausführlichen Lehrpläne.
Erfreuliche Fortschritte sind unverkennbar. Und doch
wird es notwendig sein, die Forderung nach einer
gewissen Neuordnung der Dinge nach Beendigung
des Krieges zu wiederholen. Wenn Deutschland
nach dem Kriege führend und in der Welt voran
bleiben will, dann gebietet die eiserne Notwendig-
keit, auf allen Gebieten und nicht am wenigsten an
den Fachlehranstalten jeder Art, nicht nur Gutes,
sondern das Beste zu wollen und zu leisten. Wie
diese Forderung erfüllt werden kann, ist eine Sache
für sich. Es wird nicht ohne grundlegende Ände-
rungen gehen. Aber was tut's? Das Ziel ist ja
schließlich der Mühe wert. W. Tapp.

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