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Die Gartenkunst — 30.1917

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Bücherschau
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Bücherschau.

Das Buch von Max Liebermann, „Die Phantasie
in der Malerei", Verlag von Bruno Cassierer 1916,
wird jedem Freude bereiten, der in sich das Be-
streben hat, schärfer als bisher unterscheiden zu
lernen zwischen einem Kunstwerk und einer Wieder-
gabe der Wirklichkeit. Es gibt nicht viele Menschen,
die dieses Können in sidi durchgebildet haben, und
nur wenige von ihnen, die uns den Weg zeigen
können, auf dem man zu diesem Ziel gelangt. Lieber-
mann entwickelt hier in ungezwungener Frische aus
dem eignen Erleben heraus ohne irgendwelche äs-
thetische Gelehrsamkeit seine Gedanken über das
Kunstwerk und seine Entstehungsart. „Ich schreibe
gleichsam mit dem Pinsel in der Hand", sagt er,
und so verbinden sich denn auch seine künstlerische
Erfahrung und das geschriebene Wort aufs innigste
mit einander, wenn auch nicht restlos — dessen ist
sich der Verfasser wohl bewußt. Immerhin sind
die Gedankenwege und ihre Zielpunkte, zu denen
er uns führt, überaus anregend, allein schon der
mit Nachdruck betonte Hinweis auf die unbedingt
notwendige Mitarbeit der Phantasie als der Tätig-
keit, die allein imstande ist, den gemalten oder ge-
zeichneten Gegenstand — sei es ein Bund Spargel
oder eine Madonna — Dolmetscher eines unaus-
sprechlichen Erlebnisses werden zu lassen. Gelingt
das dem Künstler durch seine formende Phantasie,
so ist ein Kunstwerk geschaffen. Fehlt ihm aber
die schöpferische Phantasie oder gar das innere
Erleben, so kann im besten Fall eine Vorspiegelung
der Wirklichkeit glüdten, eine persönliche Prägung
der geschauten Umwelt aber ist ausgeschlossen, der
Dienst im Tempel der Kunst ihm versagt. Die wahren
Priester dieses Heiligtums von den falschen zu unter-
scheiden, wenn sie ihres Amtes walten, ist nicht
jedermanns Sache, so in der Sphäre der Kunst wie
auch auf dem Gebiete der Religion. Wie es eines
im Forschungsdrang geübten Auges bedarf, die Wes-
penarten im Ameisenhaufen zu erkennen, die den
Erfolg ihres Räuber- und Schmarotzerlebens der
geschickt den Ameisen nachgeahmten Gestalt ver-
danken, so ist es auch zu jener Unterscheidung nötig,
daß die Menschenseelen so durstig werden nach
Offenbarung des Lebenssinnes, wie sie sehnsüchtig
sind nach greifbarem Besitz. v. Engelhardt.

Paul Schultze-Naumburg hat nach langer Pause
einen siebenten Band seiner trefflichen Kulturarbei-
ten veröffentlicht unter dem Titel „Die Gestaltung
der Landschaft durch den Menschen", I. Teil (Georg
D. W. Callwey, Kunstwartverlag, München). Die un-
wägbaren Werte deutscher Landschaft, deren Bedeu-
tung noch vor einem Jahrzehnt fast der Vergessen-
heit anheimgefallen war, bringt der Verfasser in
ihrem mannigfaltigen Charakter mit eindringlicher
Wärme dem Leser zum Bewußtsein. In ernster Sorge
um die Erhaltung dieser Werte warnt er vor den
drohenden Gefahren, denen sie ausgesetzt sind,
wenn den Bewohnern eines Landes die Fühlfäden
für feinere Reize stumpf geworden sind und anstatt
dessen der grobe Sinn für schnellen materiellen Er-
folg und Geldertrag als Alleinherrscher die Men-
schenseele beschlagnahmt. Die Landschaft unseres
Vaterlandes hat gegen Ende des vorigen Jahrhun-
derts nur allzuhäufig die schmerzliche Erfahrung
machen müssen, daß mit dem Aufstieg Deutschlands,
mit dem Wachstum seiner Industrie und der Hebung
des materiellen Wohlstandes leider auch ein Abstieg
von den Höhen gesunden Schönheitssinnes und durch-
gebildeter Innerlichkeit stattfand. Die Nutzbar-
machung des Landes, seiner Berge und Täler, Ge-
wässer und Wälder hatte nur allzu einseitig und
meist ohne ein Gefühl für die eigenartigen Reize

der Gegend ihre Ziele rücksichtslos verfolgt. Wer
damals den Versuch wagte, diesem blinden und der-
ben Schaffensdrang hemmend in den Weg zu treten,
wurde wie ein sentimentales Kind belächelt und als
rückständig beiseitegeschoben. „So kam das 20. Jahr-
hundert heran" schreibt der Verfasser „und auf
seiner Schwelle ruhte sich das vom Wettlauf atem-
lose Volk einen Augenblick aus und schaute um sich.
Noch hörte es nicht auf die vereinzelten Stimmen,
die riefen: Was tut ihr? Aber langsam schwollen
die Stimmen an und wurden zu einem Chor der
Warner, und manch einer wurde gedankenvoll, wenn
er ihn hörte. War es am Ende doch wahr, daß man
über dem Wichtigen das Wichtigere vergaß, daß man
für Ersetzbares Unersetzliches drangegeben hatte?"
— Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß
Schultze-Naumburg bei seiner scharfen Kritik die
wirtschaftliche Arbeit als Daseinsbedingung unseres
Volkes in Wert und Bedeutung nicht etwa unter-
schätzte. Es liegt ihm vielmehr daran, und das ist der
Zweck seines Buches, unter Berücksichtigung aller ver-
schiedentlichen, einander fast widersprechenden Um-
stände „die Tätigkeit des Menschen an der Umge-
staltung der Erdoberfläche auf ihre wirtschaftlichen
und ihre allgemeinen ethischen Werte zu unter-
suchen."

Im ersten Abschnitt über „Wege und Straßen"
werden die gewordenen und gewollten Wegezüge
miteinander verglichen. Die „allmählich im Gebrauch
entstandenen wirken selbst wie ein Stück Natur",
die anderen als „einheitlich ersonnene Kunstwege",
also gewissermaßen im Gegensatz zur Natur stehend.
Noch vor wenigen Jahren hätte gar mancher Gärtner
bei solcher Gelegenheit triumphierend eine bußfertige
Rückkehr des Professors zum „natürlichen Stil in
der Landschaftsgärtnerei" verkündet. Heute braucht
hoffentlich ein Mißverständnis in dieser Hinsicht
nicht befürchtet zu werden. Was bei jener Unter-
scheidung gemeint ist, wird jedem klar, der die Bil-
der 1 und 2 mit 6 und besonders 8 vergleicht; oder
der daran erinnert wird, daß Feldwege trotz Auf-
besserung durch Befestigung eben Feldwege bleiben
sollen und ihre Eigenart keineswegs dadurch ver-
lieren müssen, während andererseits Kunstwege in
der Landschaft durchaus befriedigen können, wenn
sie sich ihrer Form anschmiegen und ihr vom Men-
schen gewollter Charakter deutlich sichtbar wird.
Dafür fehlt aber leider heute oft die Voraussetzung
nämlich, daß der Fachmann, der Wegebauer, der
Hand anlegt, wie in früheren Zeiten „im Neben-
beruf Mensch ist", der das Gefühl dafür in sich hat.
— In weiteren Abschnitten wird der Wald in seiner
Massenwirkung im Landschaftsbilde, der Rand und
der Innenraum des Waldes behandelt. Vortreffliche
Bilder unterstützen auch hier die eingehende Er-
örterung und wecken das Verständnis, wo der Ver-
fasser liebevollere Pflege des Waldes fordert und
die oft fabrikmäßig schablonenhaften Maßnahmen
des Forstmannes tadelt, der in gewohnheitsmäßiger
Bequemlichkeit nach der Schnur gradlinige Baum-
reihen pflanzt und Forstgrenzen mit dem Lineal
zieht, ohne sich um die Gestalt des Geländes zu küm-
mern, den alten Baumriesen fällt, weil der Kultur-
plan es so fordert, gleichgültig ob er den Umwohnern
als alter Bekannter lieb geworden war. Diese Art
der „Kultur" wird mit besonderer Vorliebe in staat-
lichen Forsten betrieben — „eine wunderliche Ironie
bei einer Behörde, die zur Wahrung der allgemeinen
öffentlichen Interessen entstanden ist." Es scheint
überaus schwierig zu sein, hier Wandel zu schaffen,
obgleich doch auch in der Forstwirtschaft erfahrene
Männer wiederholt betont haben, daß die Rücksichts-
losigkeiten keineswegs unerläßliche Bedingungen
für guten Waldertrag sind. Hieran anschließend
finden wir Betrachtungen über Hain und Busch, Allee-

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