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Die Gartenkunst — 30.1917

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Röthlisberger, H. H.: Von schweizerischen Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0083

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Von schweizerischen Gärten.

In diesen Zeiten des Schwellens und Blühens
über Gärten schreiben, scheint ein eitel schönes
Ding. Ja, dahinleben unbeirrt mit den Blumen
und Blättern, vergessen können das elende Ge-
schehnis! Wie schön denken sich alle diejenigen,
die drin stehen im Feuer und Toben der Schlünde,
das Leben der Neutralen aus. Ein Leben des
Genießens und der Daseinsfreude. Das mögen
etliche sich leisten, wenn aber — dann sind es
Landesfremde, Geächtete vielmehr, und sicher
Drückeberger, hinterlistige Feiglinge, die von
unserem sichern Port aus das eigene Nest auf
jede erdenkliche Art beschmutzen. Uns andern
aber, die wir mit Allen leiden, unsere besten
Freunde hüben und drüben in Gräben liegen
haben, kann keine rechte Freude auch ob diesem
Blühen werden. Ihr alle seid beschäftigt, von
Haß, Eifer, Kümmernis erfüllt, wir tragen die
dumpfe Qual des lässig Zuschauenden, dem die
Hände gebunden, die Sprache benommen ist.

Kein Wunder, wenn wir fliehen, uns verstek-
ken, uns zurückziehen zu den Alten, die in ihrem
kleinsten Kreise lebten, friedlich, genügsam —
und doch wie groß, in sich selbst gefestigt, rein
und menschenwürdig. So ist es nicht von un-
gefähr, wenn ich nicht lassen kann von einem
Büchlein, das gelb, zerschlissen vor mir liegt als

„Selbstgespräche eines Einsamen auf einsamen
Spaziergängen"; jener Anhang ist's zuJ.J.Rous-
seaus Bekenntnissen, eine späte wehmütige Er-
innerung aus seinen letzten Pariser Jahren. In
der ersten deutschen Ausgabe bei Unger, Berlin
1782, habe ich sie vor mir, in der angenehmen
großen Schrift und mit einem zieren Holzschnitt
auf dem Titel.

Und im Blättern komme ich immer wieder
auf den fünften Spaziergang zurück, als dem
reinsten Bekenntnis jener empfindsamen Zeit:
„Unter allen Oertern, die ich bewohnt habe, da-
von einige sehr reizend "Waren, hat mich keiner
wahrhaftig glücklicher gemacht, und ich habe
keinen angelegentlicher bedauert, als meinen
Aufenthalt auf der Petersinsel im Bieler See.
Diese kleine Insel, die zu Neufchatel sole de la
Motte genannt wird, ist selbst in der Schweiz
wenig bekannt; und kein Reisender, daß ich es
wüste, erwähnt ihrer. Sie ist indes besonders
angenehm für einen Menschen gelegen, der sich,
so wie ich, gern auf sich selbst einschränkt; denn
ob ich gleich vielleicht der einzige Mensch auf
der Welt bin, dem sein Geschikke dies zum Ge-
setz macht, so kann ich mir doch nicht vorstel-
len, daß ich allein einen so natürlichen Ge-
schmack haben sollte, ohnerachtet ich ihn bis

Gartenkunst Nr. 6, 1917.

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