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Die Gartenkunst — 33.1920

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Heicke, C.: Gartenkultur und deutsche Zukunft: ein Mahnwort an Alle
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Gartenkultur und deutsche Zukunft

Ein Mahnwort an Alle

Hervorgegangen aus den bescheidenen An-
fängen des Vereins deutscher Gartenkünstler,
der 1887 ins Leben trat und sich, wie sein Name
besagt, der Pflege der engeren Berufsangelegen-
heiten widmete, hat die Deutsche Gesell-
schaft für Gartenkunst in den mehr als
30 Jahren ihres Bestehens sich der Förderung
von Gartenkunst und Gartenkultur angenom-
men, und dazu beigetragen, dem schönen Garten
auch in gebildeten Kreisen des deutschen Vol-
kes wieder Anerkennung und Geltung zu ver-
schaffen. Sie hat hierbei allseitige Unterstützung
gefunden und schätzt unter ihren Mitgliedern,
deren Zahl das dritte halbe Tausend überschrit-
ten hat, neben den beamteten und selbständigen
Gartenarchitekten und ihnen nahestehenden
Fachleuten zahlreiche Verwaltungen, Garten-
besitzer, Künstler u. a. als Freunde und Förderer
ihrer Sache.

Die Verhältnisse, unter denen die Gesell-
schaft am 1. Januar 1920 in ihr 34. Geschäftsjahr
getreten ist, können Zweifel erwecken, ob für
ihr Weiterbestehen noch genügend Anlaß vor-
handen sei, da bei der Verarmung unseres
Volkes infolge des verlorenen Krieges für
schöne Gärten kaum noch erhebliche Mittel
übrig sein dürften.

Wer so denkt, hat wohl nur die im Vorkriegs-
Deutschland vielfach tonangebenden Kreise im
Auge, die, in den Jahren geschäftlicher Hochkon-
junktur zu Reichtum gelangt, jede Art von Luxus
zu entfalten für ein Erfordernis gesellschaft-
licher Repräsentanz hielten und sich Gärten an-
legen ließen, ohne dafür ein inneres Bedürfnis
zu empfinden. Von den so entstandenen Gärten
wird freilich mancher preisgegeben werden, wenn
es demnächst gilt Einschränkungen zu machen.

Daneben gab und gibt es aber immer Kreise,
die, abhold jedem Prunke, den Wert echten Gar-
tenlebens schätzen, im Gegensatz zu der Jagd
der Gesellschaft nach Vergnügen, Genuß und
äußerlichem Glanz.

Schon in der Form der Gärten kommt dieser
Unterschied zum Ausdruck. Während jene auch
in der Aufmachung die Geschmacksentartung und
Unkultur der nachsiebenziger Jahre verraten,
haben diese überlieferungsgetreu schlichte Ein-
fachheit und wahre Gartenschönheit bis auf un-
sere Tage weitergepflegt. An ihnen fand auch die
Bewegung eine Stütze, die, vor zwei Jahrzehnten
einsetzend, eine Läuterung des Gartengeschmak-
kes und Vertiefung der Gartenliebe anbahnte,

und es darf damit gerechnet werden, daß diese
Kreise in der kommenden Zeit Opfer zu bringen
bereit sind, um die im Garten zum Ausdruck
kommende Seite unserer Kultur zu pflegen und
vor Rückschlägen zu bewahren. Das gilt, wie
für Gärten im Privatbesitz, in gleicher Weise
für öffentliche Gartenanlagen jeder Art, deren
ungeschmälerte Erhaltung von größter Bedeu-
tung für das allgemeine Wohl ist. Dabei bilden
die in Volksbesitz übergegangenen fürstlichen
Gärten ein besonderes Kapitel. Es ist eine
wesentliche Aufgabe der Deutschen Ge-
sellschaft für Gartenkunst, dafür ein-
zutreten, daß nichtwiederzuersetzende
Kulturwerte an Gärten in Deutschland
vor demZugrundegehen bewahrt bleiben.

Aber unsere Gesellschaft würde dem neuen
Deutschland keinen vollwertigen Dienst leisten,
wenn sie nicht auch an seiner Zukunft bauen
helfen wollte, wozu sich gerade auf ihrem Ge-
biete reichlich Gelegenheit bietet.

Man bedenke, daß infolge der Entwicklung
der letzten fünfzig Jahre die Zahl derer, die sich
des Besitzes oder nur der Nutznießung eines
Gartens erfreuten, um aus ihm Kraft für den auf-
reibenden Kampf ums Dasein zu schöpfen, immer
geringer geworden ist. Die Folgen nimmt man
heute deutlich wahr: Auf allen Straßen ein
hastvolles Getriebe rastloser Menschen, alle
öffentlichen Orte erfüllt von einer flutenden
Menge, die einen Verkehr vortäuscht, für den
in Wirklichkeit kein Grund besteht. Jeder Vor-
gang des Lebens ein willkommener Anlaß zu
Erörterung, Beratung und Abstimmung, weil die
Menge danach hungert, über die drückende
Leere des Daseins hinwegzukommen. Die trost-
losen Heimverhältnisse, bei der gekürzten Ar-
beitszeit doppelt peinlich empfunden, spielen
hierbei deutlich mit.

Abhilfe für diesen unhaltbaren Zustand etwa
in allmählicher Wiederverlängerung der Arbeits-
zeit zu suchen, ist undenkbar. Im Gegenteil, das
Streben nach noch weiterer Verkürzung der Ar-
beitszeit ist nicht zu verkennen. Aber wenn wir
auch den Vierstundentag bekämen, würde er
dem noch zu lang erscheinen, der ihn ableisten
muß bei einer Arbeitsweise, die den Geist völlig
aus- und die mechanische Leistung der Menschen-
hand als Zwischenfunktion in den Ablauf der
Maschinenarbeit einschaltet. Abhilfe ist nur mög-
lich, wenn es gelingt, dem durch die geist-
tötende moderne Arbeitsweise ver-

Gartenkunst Nr. 1, 1920.

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