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Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0033
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Drittes Capitel.

Wie sich der Catechismus aus der Beichte entwickelt hat.

Wenn wir unter Catechismus ein Schulbuch für die Kinder verstehen, so hat es einen solchen vor
Luther's Zeit nicht gegeben. Man unterschied eben nicht genau zwischen dem, was die Jugend lernen sollte,
und dem, was überhaupt dem christlichen Volke zu wissen Noth that. Was uns von alten catechelischen Formeln
erhalten ist, war für das Volk wie für die Jugend bestimmt, sofern sie fähig geworden war, es zu verstehen
und Gebrauch davon zu machen. Die Aeltern und die Taufpathen waren, wie wir gesehen haben, verpflichtet,
die Kinder mit den Hauptstiicken des Christenthums bekannt zu machen. Schon im achten oder neunten Jahr-
hunderte wurde in der Exhortatio ad plebem christianam (Siehe oben S. 20) den Taufpathen eingeschärft,
selbst diese Stücke inne zu haben und zugerufen: Wie kann Der Bürge des Glaubens sein, der ihn selbst nicht
kennt. Ihr sollt wissen, meine Kindlein, bis dass jeglicher von euch denselben Glauben seinen Taufpathen
verstehen lehrt, den er aus der Taufe gehoben hat, ist er schuldig wider Gott seines Versprechens. Und
der seine Taufpathen vernachlässigt, der muss am Tage des Gerichts Rechenschaft geben. So strebe nun
ein jeglicher, der ein Christ sein will, diesen Glauben und das Gebet des Herrn mit aller Eile zu lernen,
und auch die zu lehren, die er aus der Taufe gehoben hat, damit er nicht vor dem Rechfesjbafts-
stuhle Christi gezwungen werde, Rechenschaft zu geben."*) In den Beichtformeln finden wir wiederholt
das Bekenntniss, diese Verpflichtung nicht erfüllt zu haben.**) Der Predigermönch ßerthold, der in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wirkte, sagte in einer von Massmann (ß. 10) mitgelheilten Stelle: "Da
soltu von kintlicher iugent den glouben cristenliches lebens gar und gar wol bevesten und besteten in dinem
herzen. Du solt in uzen lernen ze tiutsche: die ungelerlen liute, die sultu den glouben in tiulsche lernen und
die gelerten in buochischem (latein). Ez solten des kindes toten den glouben und daz pater noster lern, so
ez siben jar alt wurde, wan sie sint's im schuldig, wan sie sin geistliche vater oder muoter. Sie sollent
sprechen ze sinem vater oder muoter: Gevater, ir sult mir minen toten daz paler noster und den glouben
lern, oder ir lat in zuo mir gen, so lere ich ez. Kunnent sie daz ave maria darzuo, daz ist vil wunderguot.
Ist aber, daz daz kint sin tote nit lert, so soltu ez selber lern; wan welich mensche vierzehen jar alt wirt
und kan ez daz pater noster nicht, man sol ez an ein velt legen" (? etwa aus der christlichen Gemeinschaft
als Unchristen ausstossen).

Auch in der späteren Zeit waren es die Aeltern und Taufpathen, von denen es gefordert ward, sie
sollten dafür sorgen, dass die Kinder die Hauptlehren des Christenthums auffassten. Lanzkranna von Wien
ermahnt die Hausväter, dass sie am Sonntage ihre Kinder und Gesinde (voelklin) fragen sollten aus der Predigt,
"verhoeret sy auch, ob sy die zehen gebott künnen, und verstuenden die siben todsünd, die pater noster und
«fen glouben und lernet sy" (Beilagen s. HS). Es lag nun in der Natur der Sache, dass von dieser Ver-
pflichtung der Aeltern und Taufpathen ein wesentlicher Theil an die Schullehrer überging, wie ein alter
Beichtspiegel (Mss. Giessen No. 851, BI. 6a) sagt: "Ein Schulmeister ist auch ein geistlicher vater aller sin

*) Vel quomodo pro alio fidei Sponsor existit, qui hanc nationi studeat didicere, et eos, quos de fönte exceperit,

ßdem nescit. Ideoque nosse debetis, fllioli mei, quando nee edoecre, ne ante tribenal cluisti cogatur, rationem exsoluere.

unusquisque vestrum eandem ßdem filiolum suum ad intelli- Ausg. von W. Grimm, S 73—74, wo der althochdeutsche Text

gendum docuerit, quem de baptismo exceperit, reus est fidei daneben abgedruckt ist.
sponsionis et qui hanc filiolum suum neglexerit, in die iudicii

rationem redditurus erit. Nunc igitur omnis, qui Christianus **) Massmann No. 26 S. 128, No. 35 S. 139. v. Raumer

esse voluerit, hanc fidem et orationem dominicam omni festi- S. 266. Grupen S. 32.
 
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