Genelli, Hans Christian: Das Theater zu Athen: hinsichtlich auf Architectur, Scenerie und Darstellungskunst ueberhaupt erläutert (Berlin und Leipzig, 1818)

II.

TRAGÖDIE.

JJaTs die attische Tragödie aus dem dionysischen Dithyrambos entsprangen, wie Aristo-
teles und mehr andere Alten aussagen, ist noch von Niemand ernstlich bestritten oder
in Zweifel gestellt worden. Allein in Hinsicht auf die so eigentümliche Gestaltung und
den Ton dieser Tragödie hat man, glaube ich, nicht genug geachtet auf jenen Dithy-
rambos, aus dem sie doch so allmälig und organisch hervorgegangen sein mufs, dafs
sie seinen Grundcharakter nie gänzlich verleugnen konnte, wenn anders die zerstreuten
Angaben über dies ihr Fortschreiten nicht alles Vertrauens entbehren. So hat man, von
dem genannten Philosophen an, immer nur in Betracht gezogen, welcher Nuzan für
die Handlung des Drama aus dem Chore zu ziehen sei, welches freilich wichtig ist, so-
bald einmal dieser wunderliche Zeuge gegeben ist, der doch sicher nicht nothwendig in
dem Begriffe eines Drama liegt. Ohne ihn gewänne unstreitig die Handlung ein weite-
res Feld und freiere Bewegung. Aber nicht blofs diesen Chor, jenen ganz eigenen Ton
der Begeisterung, den sie behauptet, und die durchaus melisch-orchestische Art ihrer
äufseren Gestaltung verdankt diese Tragödie eben ihrer Herkunft: weshalb es denn
nicht unnüz sein wird, jenen ursprünglichen Dithyrambos und seine Fortschritte näher
ins Auge zu fassen, um so mehr, als der Augenblick, wo jene sich von ihm löset,
nicht so gar deutlich zu erkennen ist, indem er noch neben ihr fortlebte, und erst ge-
gen das Ende ihrer Blütezeit sich umgewandelt hat *).

Der

l) Wie schon ernannt, durch Timotheos, des Euripides Zeitgenossen. Siehe des Plutarchos