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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 2.1880

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Berggruen, Oscar: Die vervielfältigenden Künste auf der Pariser Weltausstellung 1878, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4148#0019
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DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE
AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG 1878.
Von Oskar Berggruen.
II.
IÄNEMARK kann sich wohl eines Kupferstechers rühmen und eines talentvollen obendrein; allein der
Umstand, dass T. Ballin im Schatten des Danebrog geboren worden ist, ändert nichts an der That-
-'' i^m sache, dass dieser Künstler, der seit Jahren in Paris thätig ist, in seinen Arbeiten durchwegs die
französische Schule und nur diese erkennen lässt. Von Ballin waren nicht weniger als acht Stiche nach modernen
französischen und englischen Genrebildern, dann ein Porträt der Prinzessin von Wales nach einem Bilde des
dänischen Malers H. Olrik ausgestellt; alle diese Blätter bekundeten, dass der Künstler einen correcten und
eleganten Stichel sührt, dem man jedoch mitunter mehr Tiefe und Kraft wünschen möchte.
In ENGLAND scheint die Vorliebe sür den Stich, insbesondere auch für die dort srüher so beliebten Blätter in
Schab- und Punftir-Manier ebenso stark abzunehmen, wie die zur Modesache gewordene Beliebtheit der Radirung
dort in fortwährendem Steigen begrisfen ist. Auf der Ausstellung war das Uebergewicht der Radirung quantitativ
wie qualitativ unverkennbar. Es ist sür die Wandlung der Geschmacksrichtung gewiss sehr bezeichnend, dass bloss
ein einziges geschabtes und ein einziges in Punftir Manier ausgesührtes Blatt, beidevonT.L. Atkinfon nach zierlichen
Studienköpfen von J. E. Millais. vorhanden waren; ausserdem vertraten T. O. Barlow mit zwei farbig und kräftig
behandeltenBlättern na.ch Millais, G.T. Doo mit drei sauber und elegant, aber etwas trocken und kalt durchgeführten
Blattern, ferner James Fcad mit zwei schönen, technisch sehr correcl; gearbeiteten Blättern nach Sir Daniel Macnee
und L. Richeton mit einem malerisch aufgefassten, aber nur geringe Aehnlichkcit aufweisenden Bildnisse Richard
Wagner's, sowie mit einem sehr gelungenen Blatte nach Rembrandt den Porträtstich. Erwähnt man noch die hübsch
angelegten Stiche von F. Stacpoole nach modernen englischen Genrebildern, die sich keine höhere Aufgabe stellen,
als einen Platz an den Wänden eines freundlich eingerichteten liome mit Anstand auszufüllen, so ist Alles erschöpft,
was auf dem Gebiete des Kupferstiches in der englischen Abtheilung zu sehen war.
Ungleich grösseres Interesse boten die Radirungen; in erster Linie schon desshalb, weil die englischen Aqua-
fortisten sich grundsätzlich weniger mit der Reprodustion befassen und hauptsächlich nach der Natur, oder nach
eigenen Bildern, Aquarellen und Zeichnungen radiren. Nicht nur Maler ersten Ranges, wie Herkomer, befolgen
das in England schon von Turner gegebene glänzende Beispiel, sondern auch bescheidenere Künstler, ja selbst
blosse Liebhaber radiren eifrig nach der Natur, und selbst die letzteren beherrschen in der Regel die Technik
vollkommen und liefern selbstständig aufgefasste Darstellungen aus ihrer Heimat, zumeist landsehaftlicher Art. Das
Capitel der englischen Dilettanten-Radirung ist überhaupt sür den Kunstsinn und die Geschmacksrichtung der
englischen Kunstlicbhaber, sowie für den Ernst, mit welchem sie sich ihren Studien hingeben, sehr charakteristisch;
gegenwärtig können wir es leider nicht näher betrachten, da auf dasselbe in der Ausstellung nur vereinzelte
Streiflichter gefallen sind, und erwähnen bloss, dass die von uns gleich beim Entstehen angezeigte1 Monatspublication
von Original-Radirungen „The Et eher", welche auch Radirungen von Liebhabern aufnimmt, in England
allgemeinen Anklang findet und aus einem wirklichen Bedürfnisse der dortigen Liebhaber hervorgegangen zu sein
scheint. An der Spitze der englischen Maler-Radirer befindet sich kein geringerer Künstler, als Hubert Herkomer,
der als Maler und Aquarellist auf der Ausstellung einen Hauptanziehungspuncl der englischen Abtheilung gebildet
und zugleich mit Millais die Ehren-Medaille, die höchste Auszeichnung, erhalten hat. Zwei radirte weibliche
Studienköpfe: „Andenken an Rembrandt" und „Ein Weib aus Wales" waren die einzigen Blätter, die er auf der
Ausstellung vorführte, aber sie genügten vollauf, um Herkomer's echt malcrische Freiheit der Auffassung und
Behandlung, sowie seine technische Virtuosität zu würdigen. Seither hat das auf dem Gebiete der graphischen
Künste höchst verdienstlich wirkende Haus Goupil in Paris sieben Original-Radirungen Herkomer's, darunter ein

1 Vergl. „Mittheilungen der Gesellschast sür vervielfältigende Kunst" J. 1879, Sp. 57.
 
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