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WEIBLICHE PORTRÄTSTUDIE
nach Fritz August Kaulbach, gestochen von Ed. Buckel.


IE junge Münchener Malergeneration der Gegenwart hat nur wenige Künstler aufzuweisen
deren Namen so rasch zu Anseilen und Popularität gelangte, wie der Fritz AugustKaulVhch's.
«s&äj Am 2. Juni 1850 in München als Sohn des Hofmalers und Professors Friedrich Kanlbach geboren,
übersiedelte er 1854 mit seinem Vater, der einem Rufe nach Hannover Folge leistete, in diese Stadt
und fasste, im väterlichen Atelier aufgewachsen, seit seiner frühesten Kindheit eine so tiefe Neigung für
die Kunst, dass er sich ihr gleichsam selbstverständlich widmete. Kaum siebzehn Jahre alt, ging er an die
von Kreling geleitete Kunstschule in Nürnberg, kehrte aber schon nach zwei Jahren in's Atelier des
Vaters zurück, dem er durch einige Zeit bei der Ausführung seiner Arbeiten Hilfe leistete, bis er 1871
die Kunstacademie in München bezog. Es lässt sich jedoch nicht behaupten, dass diese Anstalt den
Kunstjünger irgendwie gefördert hätte; vielmehr blieb er in München auf sich selbst, auf das Studium
der Natur, sowie der alten Meister angewiesen. Kaum 23 Jahre alt, heiratete er und begann seine selbst-
ständige künstlerische Laufbahn. Gleich die ersten Bilder, mit denen er in die Öffentlichkeit trat, fanden
Beachtuno- ■ es waren dies zum Theil weibliche Porträtstudien, welche durch glänzende und geschmack-
volle Costüme aus vergangener Zeit gehoben wurden, theils Genrefiguren und Genrescenen, in denen
eine eigenthümliche zarte Anmuth im Ausdruck wie in der Formen- und Farbengebung lebte,
die jedoch nicht seiten an Süsslichkeit und Sentimentalität streifte. Seiner Porträtstudien im Costüm
bemächtigte sich sofort die Kunstindustrie und mehrere derselben, namentlich ein „Edelfräulein" im
Costüm aus der Mitte des 16. Jahrhundertes, ist durch den Farbendruck, sowie als Schmuck keramischer
Kunstproducle in ganz Deutschland bekannt geworden. Auch die Genrebilder dieser ersten Zeit
behandeln fast nur das ewig Weibliche und immer in zarter, empfindsamer Weise. Auf der PariserWelt-
ausstellung von 1878 konnte man fortwährend blondgelockte junge Engländerinnen rudelweise vor seiner
„Reverie" und zwei weiblichen Studienköpfen sehen und aus blühenden Lippen bald laut, bald leise
hören: „Delightful, charming !" Die französischen Künstler hinwieder, mit denen wir den Saal des
Deutschen Reiches durchwandelten, sprachen sich über die technische Finesse und coloristische Eleganz
dieser Bilder anerkennend aus. Eine wahre Überraschung bereitete uns der junge Künstler auf der letzten
Münchener Ausstellung 1879 durch seine später in den Besitz der Dresdener Galerie (Nr. 2313) gelangte:
„Familienscene im Freien." Das figurenreiche Bild fesfelte unwillkürlich durch die Anmuth und unge-
suchte Natürlichkeit der Composition, sowie durch ein hell und zart gestimmtes, bezaubernd feines und
duftiges Colorit. Es liegt etwas wie ein Abglanz Watteau s über diesem reizenden Bilde, das zwar nicht
galant ist im Sinne des 18. Jahrhunderts, aber an wirklich vornehmer Anmuth es kühn mit den besten
Franzosen gleicher Richtung aufnehmen kann. Dieselbe Note, welche der Künstler in diesem seinem
Meisterstücke angeschlagen, ertönt auch in einem berückend vorgetragenen Genrebildchen wieder,
das wir kürzlich in den Ausstellungssalons Miethke's in Wien fanden: eine junge, elegante Dame, die
mit zwei Kindern in einer Frühlingslandschaft lustwandelt. Unser Bild, die vor einigen Jahren ent-
standene, überaus anmuthige und zarte Porträtstudie eines jungen Mädchens in der reichen und
malerischen Tracht der deutschen Frührenaissance, dürfte um so mehr Anklang finden, als der unseren
Lesern wohlbekannte Stecher Eduard Büchcl (vgl. „Mitth. der Ges. für verv. Kunst," Jahrg. IV, 1875,
Sp. 48) dasselbe mit Feinfühligkeit und Eleganz interpretirt hat
O. B.
 
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