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HEINRICH BODMER / DIE ENTWICKLUNG DER STECHKUNST DES

AGOSTINO CARRACCI II*

Die in der zweiten Hälfte des Jahres 1582 ins Leben gerufene Akademie nimmt Agostino für
längere Zeit stark in Anspruch. Hier ist er nun als Lehrer tätig, der die erworbenen Kenntnisse
und Erfahrungen jüngeren Künstlern mitteilt, der aber gleichzeitig im Unterricht Anregung
für das eigene Schaffen empfängt. In der Akademie sieht sich Agostino zum ersten Male ge-
zwungen, auch der Malerei seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, die in den nächsten Jahren
sein Interesse weitgehend in Anspruch nimmt. Es ist darum nicht verwunderlich, daß die
graphische Tätigkeit in diesen Jahren etwas zurücktritt und daß die damals entstandenen
Arbeiten nicht mehr das einheitliche Gepräge haben, wie die in Venedig entstandenen Werke.
Vielleicht spielt dabei auch der Umstand eine Rolle, daß der Künstler die Werke der veneziani-
schen Malerei, die einen so großen Einfluß auf seine Kunst ausübten, nun nicht mehr täglich
vor Augen hat und gezwungen ist, seine Vorbilder wieder in Bologna zu suchen. In dieser Zeit
treten auch zum ersten Male größere Aufträge von Verlegern an ihn heran, die ebenfalls dazu
beitragen, seinen Interessen eine neue Richtung zu geben.

Die erste Aufforderung, an einem größeren typographischen Unternehmen mitzuarbeiten,
wird ihm von Seiten des cremonesischen Malers und Schriftstellers Antonio Campi zuteil,
welcher eine große Geschichte seiner Vaterstadt geschrieben hat, die er in großzügiger Weise
durch einen Künstler illustrieren lassen will. Agostino, der sich seiner cremonesischen Herkunft
gerne erinnert, stellt sich bereitwillig zur Mitarbeit zur Verfügung und geht, soweit er es mit
seinem künstlerischen Gewissen vereinigen kann, auf alle Intentionen und Wünsche Campis
ein. Ein erstes Zeugnis für die sich seit dem Jahr 1582 zwischen dem Künstler und seinem
Auftraggeber anbahnenden Beziehungen ist uns in einem 1583 datierten Stiche erhalten, in
welchem Agostino ein heute nicht mehr erhaltenes Gemälde Campis mit der Darstellung der
„Auferweckung des Eutychus durch den hl. Paulus" (B. 85) wiedergibt. Alle die künstleri-
schen Errungenschaften der venezianischen Periode, die klare Prägnanz und Bestimmtheit
der Modellierung und die zarte Transparenz der Oberfläche, werden für die neue Aufgabe von
Bedeutung. Freilich hatte Agostino hier mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß das Vorbild
noch völlig dem Manierismus angehört. Aber es gelingt ihm, der unübersichtlichen Fülle der
allzu vielen Gestalten in dem weitvertieften Bildraum und der unruhigen Bewegung im Gruppen-
aufbau Herr zu werden und ein Werk zu schaffen, welches die Klarheit und zarte Transparenz
der Stichelführung der venezianischen Blätter in den Dienst der manieristischen Formanschau-
ung stellt.

Das Campische Werk ist kaum, wie Brunet vermutet, in zwei getrennten Auflagen in den
Jahren 1582 und 1585 erschienen, sondern das Buch ist erst durch die 1585 datierte Edition
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Lediglich das Vorwort und das Titelblatt
stammen aus dem Jahre 1582. Da sich die Fertigstellung des Werkes aus unbekannten Gründen
bis zum Jahre 1585 hinauszog, war der Verleger gezwungen, das Datum 1582 durch Umwand-
lung der zwei in eine fünf zu ändern. Diese Korrektur ist aber nicht bei allen schon gedruckten
Titelblättern vorgenommen worden, so daß wir das Datum 1582 in einigen erst später in den
Handel gebrachten Ausgaben finden. Außer der Abänderung des Jahres sind auch im illustra-
tiven Teil Umgestaltungen vorgenommen worden. Vermutlich aus Rücksicht auf Philipp II.
von Spanien, dem das Werk gewidmet war, wurde das Bildnis des Monarchen, der nicht mehr
in der kriegerischen Rüstung, sondern in der schwarzen spanischen Hoftracht dargestellt sein
wollte, geändert und die neue Fassung der Platte eingraviert.

* Vgl. Graphische Künste, Bd. IV (1939), S. 121 ff.

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