Mir persönlich waren eigentlich von jeher Auktionen aus dem Nachlaß
eines Sammlers, auch des noch lebenden, interessanter als die anonymen
Versteigerungen, die ein Antiquar mit ad hoc zusammengeraffter Bücher-
ware machte, und die das geistige Band vermissen ließen, ich möchte sagen,
den Reiz der Nachbarschaft zwischen den vielen Büchern; denn was mich an
einer Bibliothek als Gesamterscheinung interessiert, ist ein Biographisches,
das sie widerspiegelt, also die Idee, daß weniger der Zufall oder die Markt-
lage und auch nicht in erster Linie die regierende Sammelmode maßgebend für
die Auswahl gewesen sei, sondern ein wählendes Individuum mit irgendeiner
mehr oder weniger bewußten Konzeption, mit Lücken des Wissens, mit Besonder-
heiten des Geschmacks, mit willkürlichen Akzenten und überhaupt mit einem
bestimmten Stil des Sammeins, den jeder, der sammelt, natürlich genau so hat
wie jeder, der schreibt, eine Handschrift. Ich hatte deshalb nie etwas dagegen,
Näheres über den Eigentümer der Bibliothek zu erfahren, deren Katalog ich
gerade durchsah, und ich erinnere mich, daß ich mir seinerzeit bei der Lektüre
von Karl Wolfskehls Vorwort zur Piloty-Auktion vorgenommen habe, wenn
ich meine eigene vente erleben sollte, für Leute, die ähnlich dächten wie ich,
einige Bemerkungen über meine Bücher für den Druck zu formulieren.
Die erste richtige Büchersammlung, die ich kennenlernte, besah ich mir
mit wohlwollender Verständnislosigkeit, noch als Student in Göttingen vor bei-
nahe einem Vierteljahrhundert: es war eine Bibliothek von Erstausgaben
deutscher Literatur, die ein für Literaturgeschichte undOtto Erich Hartleben
begeisterter Göttinger Referendar namens Otto Deneke sich anzulegen im
Begriff war. Aber meine eigene Passion für Bücher, an der ich schon als
Primaner gelitten hatte, ging lediglich auf den Inhalt, das Literarische, während
andere Faktoren noch nicht die ihnen zukommende Rolle spielten, also das
Bibliographische, Typographische, überhaupt Buchhandwerkliche, das Buch-
ästhetische, das Buch als Kulturdokument und als Rahmen und Gewand eines
Geistigen. Eines Tages auf dem Göttinger Wall machte ich Rudolf Borchardt
mit Deneke bekannt, .der daraufhin sofort Erstdrucke von Hugo von Hof-
mannsthals Tugenddichtungen aufzutreiben suchte; aber auch Hofmannsthal,
ebenso wie vorher Otto Erich, schüttelte den Kopf über das passionierte Jagen
nach Erstdrucken, selbst wenn es solche von eigenen Dichtungen waren, und
ich erinnere mich, daß, als mir mein Freund Walther Brecht die herrlichen
Renaissance-Drucke zeigte, die er für seine Dissertation über die epistolae
obscurorum virorum durchzuarbeiten hatte, wir nicht auf den Gedanken kamen,
daß man so etwas besitzen müsse, um es richtig auszukosten. Die Pergament-
Ei
eines Sammlers, auch des noch lebenden, interessanter als die anonymen
Versteigerungen, die ein Antiquar mit ad hoc zusammengeraffter Bücher-
ware machte, und die das geistige Band vermissen ließen, ich möchte sagen,
den Reiz der Nachbarschaft zwischen den vielen Büchern; denn was mich an
einer Bibliothek als Gesamterscheinung interessiert, ist ein Biographisches,
das sie widerspiegelt, also die Idee, daß weniger der Zufall oder die Markt-
lage und auch nicht in erster Linie die regierende Sammelmode maßgebend für
die Auswahl gewesen sei, sondern ein wählendes Individuum mit irgendeiner
mehr oder weniger bewußten Konzeption, mit Lücken des Wissens, mit Besonder-
heiten des Geschmacks, mit willkürlichen Akzenten und überhaupt mit einem
bestimmten Stil des Sammeins, den jeder, der sammelt, natürlich genau so hat
wie jeder, der schreibt, eine Handschrift. Ich hatte deshalb nie etwas dagegen,
Näheres über den Eigentümer der Bibliothek zu erfahren, deren Katalog ich
gerade durchsah, und ich erinnere mich, daß ich mir seinerzeit bei der Lektüre
von Karl Wolfskehls Vorwort zur Piloty-Auktion vorgenommen habe, wenn
ich meine eigene vente erleben sollte, für Leute, die ähnlich dächten wie ich,
einige Bemerkungen über meine Bücher für den Druck zu formulieren.
Die erste richtige Büchersammlung, die ich kennenlernte, besah ich mir
mit wohlwollender Verständnislosigkeit, noch als Student in Göttingen vor bei-
nahe einem Vierteljahrhundert: es war eine Bibliothek von Erstausgaben
deutscher Literatur, die ein für Literaturgeschichte undOtto Erich Hartleben
begeisterter Göttinger Referendar namens Otto Deneke sich anzulegen im
Begriff war. Aber meine eigene Passion für Bücher, an der ich schon als
Primaner gelitten hatte, ging lediglich auf den Inhalt, das Literarische, während
andere Faktoren noch nicht die ihnen zukommende Rolle spielten, also das
Bibliographische, Typographische, überhaupt Buchhandwerkliche, das Buch-
ästhetische, das Buch als Kulturdokument und als Rahmen und Gewand eines
Geistigen. Eines Tages auf dem Göttinger Wall machte ich Rudolf Borchardt
mit Deneke bekannt, .der daraufhin sofort Erstdrucke von Hugo von Hof-
mannsthals Tugenddichtungen aufzutreiben suchte; aber auch Hofmannsthal,
ebenso wie vorher Otto Erich, schüttelte den Kopf über das passionierte Jagen
nach Erstdrucken, selbst wenn es solche von eigenen Dichtungen waren, und
ich erinnere mich, daß, als mir mein Freund Walther Brecht die herrlichen
Renaissance-Drucke zeigte, die er für seine Dissertation über die epistolae
obscurorum virorum durchzuarbeiten hatte, wir nicht auf den Gedanken kamen,
daß man so etwas besitzen müsse, um es richtig auszukosten. Die Pergament-
Ei