Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0028

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einiger lokaler und regionaler Karten mehr als dürftig. Insbesondere
rafften sich weder einzelne Kantone noch die ganze Eidgenossen-
schaft auf, eine neue Primärkartc durch eine von Grund auf neue und
systematische Landesaufnahme zu schaffen. Man baute immer noch
auf den Aufnahmekarten des 16., ausnahmsweise des 17. Jahrhunderts
weiter, indem man Einzelheiten korrigierte, das Ganze aber meist
noch verschlechterte.

Frankreich ging damals in der Geodäsie und Kartographie in
Führung. Insbesondere gelang es den Franzosen, Geodäsie, das heißt
die Vermessung der ganzen Erde und den Entwurf ihres Gradnetzes,
einerseits und Topographie, das heißt die Aufnahme der Einzelheiten
der Erdoberfläche, andererseits zueinander richtig in Beziehung zu
bringen. Um eine Karte zu erstellen, bedurfte es inskünftig der
Messung eines Meridianabschnitts, um die im Bogenmaß leicht zu
ermittelnden Unterschiede der geographischen Breiten mit Distan-
zen auf der Erdoberfläche gleichsetzen zu können. Dadurch konnten
auch einigermaßen die richtigen Abstände der Meridiane errechnet
werden, wobei man aber schon damals erkannte, daß die Erde nicht
eine Kugel ist. E*s bestand zunächst eine Kontroverse darüber, ob die
Erde an den Polen abgeplattet oder eher etwas zugespitzt sei, mit
andern Worten, ob der Äquator- oder der Polradius größer sei. Im
Anschluß an die Meridianmessung, die trigonometrisch, mit einer
Drcieckskctte von einer kürzeren, sehr genau gemessenen Basis aus
vorgenommen wurde, war über das ganze aufzunehmende Land ein
Dreiecksnetz zu legen und zu vermessen, das eine Anzahl genau bc-
stimmtcrPunkte lieferte, von denen aus topographiert werdenkonntc.
In diesem Sinne sind, nachdem die Niederländer bereits Pionier-
dienste geleistet hatten, die Franzosen die Begründer der modernen
wissenschaftlichen Kartographie. Die Impulse gingen von der von
Richelieu 1635 ins Leben gerufenen Akademie aus. In ihrem Auf-
trage maß der GcometerJean Picard ab 1669 einen Meridianabschnitt
zwischen Amiens und Paris. Nach Picard traten drei Generationen
Cassini als Direktoren der Pariser Sternwarte in Erscheinung. Der
erste, Giovanni Donwnico Cassini, Astronomieprofessor und Gco-
meter aus Bologna, 1669 nach Paris berufen, setzte die Messung des
Pariser Meridians nach Norden bis Dünkirchen und nach Süden bis
Bourges fort. Er starb 1712. Ihm folgte sein Sohn Jacques Cassini de
Thury, der 1734 die erste Längengradmessung zwischen Brest und
Straßburg ausführte, und diesem folgte wieder der Sohn, Cesar
Francois Cassini de Tiiury, unter dem die Arbeiten zu einer völlig
modernen, neu aufgenommenen Landeskartc Frankreichs heran-
reiften. 1744 veröffentlichte er ein Blatt mit dem Dreiecksnetz zur
Vermessung Frankreichs. Jean Dominique Cassini, die vierte Genera-
tion, vollendete 1793 das Kartenwerk in 182 Blättern im Maßstab
1:86400, indem eine Linie auf der Karte 100 Toiscn in Natur (195 m)
entsprach. Die Schweiz wird von der Cassini-Karte ebenfalls be-
rührt, indem das Gebiet des heutigen Kantons Genf und andere
Grenzgebiete einbezogen wurden. Das Blatt Genf ist nicht datiert,
fällt aber nach Angaben des Institut Geographique National in Paris
in die Zeit zwischen 1760 und 1770. Der exakte Grundriß dominiert.
Die großen Ortschaften erscheinen im Grundriß, für kleine Ort-
schaften und Einzelobjekte sind kavalicrperspektivischc Signaturen
beibehalten. Für den Wald erscheint ebenfalls eine bewegte, natur-
ähnlichc Signatur, die mit den schnurgeraden, baumbesetzten Chaus-
seen kontrastiert, mit denen das absolutistische Frankreich der Land-
schaft seinen Stempel aufgedrückt hat. Im See ist in Anlehnung an
ältere Vorstellungen der Lauf der Rhone noch durchgezogen. Die
exakte Aufnahme zwang zur vcrtikalperspektivischen Darstellung
der Gebirge. Sic wurde noch nicht voll bewältigt. Die langgezoge-
nen, etwas wirren freien Schraffcn der Jurahöhen laufen noch nicht
radial von der Flöhe zur Tiefe, sondern kommen von der Vogel-
schauansicht nicht ganz weg. Die Karte hat in ihren tiefern Partien
stark den Charakter einer «Talkarte», indem die Schraffen dazu ver-
wendet werden, Täler und Tälchen herauszuarbeiten. Die dazwi-
schenliegenden Höhen erscheinen wenig differenziert, die Höhen oft
ganz naturwidrig als weiße Plateaus. Bisweilen, auf unserem Aus-
schnitt rechts unten, erzeugen die verschiedenen Schraffcnzoncn
größerer Gebirge den Eindruck einer Tcrrasscnlandschaft. Diese Züge

26
 
Annotationen