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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0033

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liehen Verkehr mit Gewährsleuten vermehrte Walser die Zahl der
Ortschaften und Bcrgnamcn und lebte im Glauben, daß auf diese
'Weise «leicht eine allgemeine richtige Schweitzer-Charte zum Vorschein
kommen» könnte. Dies in einer Zeit, als in Frankreich bereits wesent-
liche Teile der Cassini-Karte erschienen waren, dreißig Jahre nach
Rovereas Aufnahme des Gouvernements Aigle, dreißig Jahre nach
dem ersten Entwurf Micheli du Crcsts für eine gesamtschweizcrischc
Triangulation, fünfundzwanzig Jahre nach Albcrtins erster Basis-
messung auf dem Zürichsce...

Nichtsdestoweniger erfüllten Walsers Karten eine wichtige Auf-
gabe. Sic waren verständlich, entsprachen dem Geschmack der Zeit
und waren «von den Bilder-Krämern aller Orten zu haben». Die Primi-
tivität der Gebirgsdarstcllung in einfacher Kavalicrpcrspcktive mit
seltsamen manierierten Gebirgsstöcken bedeutet einen Rückfall in
die Zeit vor Gygcr, geht aber zum Teil auf das Konto der Karten-
Verlage und ihrer Kupferstecher. Die Handzeichnungen Walsers
Zeigen ein höheres künstlerisches Niveau, insbesondere bemühte er
sich, seine heimatlichen Appenzeller Berge in individualisierenden
Formen wiederzugeben, wobei sie freilich extrem überhöht sind. Da
der Schweizer Atlas eben jüngst faksimiliert worden ist (Lit. 12), be-
gnügen wir uns mit der Wiedergabe eines Ausschnittes aus der Karte,
die 1740 in der Appenzeller Chronik erschien.

DER ATLAS VON JOHANN RUDOLF
MEYER UND HEINRICH WEISS

Es ist bezeichnend für die Passivität der alten Eidgenossenschaft vor
ihrem Untergang, daß sie sich auch auf dem Gebiete der Kartographie
nicht zu etwas grundsätzlich Neuem aufraffen konnte. Es hätte dazu
eines neuen gcsamtschweizcrischcn Nationalgefühls bedurft. Dieses
Nationalgef ühl wuchs vor allem im Aargau, der damals noch zum
Stande Bern gehörte und wo eine ganze Reihe bedeutender Köpfe
darauf warteten, politisch eine Rolle spielen zu können. Diese Rolle
konnte nur im Rahmen eines gcsamtschweizcrischcn Vaterlandes

gespielt werden. In Schinznach im Aargau war der Versammlungs-
ort der Helvetischen Gesellschaft, welche Trägerin des Gedankens
einer erneuerten fortschrittlichen Schweiz war. Zu diesem Kreise
gehörte Johann Rudolf Meyer. 1739 in Aarau geboren, war er
zunächst Tuchhändler, wandte sich dann der Seidenbandfabrikation
zu und arbeitete sich aus ursprünglich einfachen Verhältnissen zu
ansehnlichem Reichtum empor, der ihm Unabhängigkeit gab zu
bedeutenden, vor allem auch gemeinnützigen Werken. 1793 Präsi-
dent der Helvetischen Gesellschaft, wies er auf die Notwendigkeit
der Linthkorrektion hin, die allerdings schon vor ihm erkannt wor-
den war. Immerhin scheint Hans Conrad Escher unmittelbar von
Meyer angeregt worden zu sein. Meyer stand dem Umschwung von
1798 bejahend gegenüber, freilich ohne die Unterwerfung unter
Frankreich zu billigen. 1798 bis 1800 war Meyer Mitglied des Senats
der Helvetischen Republik und 1802/03 einer der 60 Abgeordneten,
welche als «Helvetische Consulta» in Paris mit den Vertretern Na-
poleons die Meditationsverfassung zu beraten oder, mehr noch, ent-
gegenzunehmen hatten. Eine zweite Linie, die Meyer zur Karto-
graphie führte, war neben der aufgeklärt-vaterländischen Gesinnung
die Begeisterung für die Alpen. Schon durch die Alpenreisen Scheuch-
zers, dann durch Albrecht von Hallers monumentale Dichtung, durch
Jean-Jacques Rousseau und Goethe, durch Carl Viktor von Bon-
stettens weltberühmte «Briefe über ein schweizerisches Hirtenland»,
dann durch des Genfer Physikers Horace Benedict de Saussure sensa-
tionelle Erstbesteigung des Mont-Blanc im Jahre 1:787 rückten die
Alpen in den Blickkreis der europäischen Gcistcswelt. In der Zeit der
Mediation, 1803 bis 1815, erwuchs der gedemütigten Eidgenossen-
schaft aus den Alpen neue Zuversicht. Die Alpen wurden zum Sinn-
bild und Hort der Freiheit. 1803/04 schuf Schiller seinen «Wilhelm
Teil». 1805 und 1808 gingen mit Besuch geistiger Größen aus Frank-
reich, Deutschland und Rußland die Alphirtenfestc von Unspunncn
über die Szene.

Vor diesem geistig-politischen Hintergrund müssen Schweizer
Relief und Kartenwerk Meyers gesehen werden. Das Alpcncrlcbnis
drängte zu bildhaftem Ausdruck. Die vom Maler zu bewältigende

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