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Die Zweckmässigkeit und allgemeine Anwendbarkeit unserer Kunst wird insbesondere bei der
Erklärung der einzelnen Theile dargethan werden; diese kurze geschichtliche Uebersicht aber soll
nur den Gang der Technik bezeichnen, wie für den Architekten eine Reihenfolge technisch ent-
wickelter Theile immer eine Kunstgeschichte bildet.

IL ABSCHNITT.

Bildung: der Cr rund formen.

Wenn die Baukunst aller Länder und Völker sich auf geometrische Grundlagen stützt, das Ganze
wie die einzelnen Theile nach bestimmten Gesetzen entworfen sind, der Theil sich ims dem Gan-
zen entwickelt, und dieses sich wiederum im Theile zeigt, so sind doch Bildung, Anwen-
dung und Bedeutsamkeit dieser geometrischen Elemente so unendlich verschieden, auf diese und
jene Art mehr oder minder durchgeführt, dass wir im einfachsten Baurisse nicht allein den Charak-
ter des Volkes, sondern auch die Entstehungszeit des Kunstwerkes und die Individualität seines
Meisters erkennen lernen.

Die Motive für jede Kunst finden sich in der umgebenden Natur. Die Sonne, das Meer, jedes
Wachsthum, wie die menschliche Figur veranschaulichen geometrische Gesetze, die einem jugend-
lichen Menschengeschlechte ungleich verständlicher waren, als sie es dem eultivirten Menschen sind.
Je nachdem nun diese oder jene Gebilde dem Volke nahe standen, so begann auch die Baukunst
diese zu Vorbildern ihrer Schöpfungen zu nehmen. In der christlichen Architektur waren es vor-
zugsweise die Polygone, welche die höchste Bedeutung erhielten.

Sechs - oder achttheilige Vielecke bestimmen die Formen des hohen Chores, und mit diesem,
die innern Pfeiler, die Pyramiden, die Thürme vi. s. w.

Die ersten geometrischen Bildungen, die Linie, der Winkel und das rechtwinklige Dreieck gel-
ten in allen Bauarten, ja galten bei allen Völkern als Sinnbilder alles Schaffens, und wir sehen
sie häufig als Gegenstände religiöser Verehrung aufgestellt. Die Linie bezeichnet die ewige, erzeu-
gende Kraft, den Ursprung der Wesen3 die zweite Linie, welche den Winkel bildet, stellt die
Schöpfung dar, und im rechtwinkligen Dreiecke erblicken wir die Festigkeit, die Harmonie und Er-
haltung aller Dinge, indem erst durch ein Drittes ein geschlossenes Ganze entsteht, welches seine
Form unverändert erhalten muss. Diese einfache geometrische Anschauung liess sehr früh die Lehre
von der Dreieinigkeit entstehen, die unmöglich sinnvoller dargestellt werden kann, als durch das Zei-
chen eines Dreiecks.

Die Verdoppelung des rechtwinkligen gleichschenkligen Dreiecks gibt das Viereck, und dieses,
aus seinem Mittelpunkt so umspannt, dass alle vier Ecken berührt werden, liess den Kreis entstehen.
Nun entwickelten sich weiter die Flächen- und Körperverhältnisse, die Kugel, der Würfel, die
fünf-, sechs- und achteckigen Polygone.
 
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