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Hilgert, Markus [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Menschen-Bilder: Darstellungen des Humanen in der Wissenschaft — Berlin, Heidelberg, 54.2010(2012)

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Verres, Rolf: Die Bedeutung von Kunst und Musik für das Menschen-Bild der Heilkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.16708#0246

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Kapitel 14

Die Bedeutung von Kunst und Musik für das
Menschen-Bild der Heilkunde

Rolf Verres

Die ärztliche Heilkunde befasst sich mit existenziellen Themen vom Zeugungs-
wunsch bis zum Tod und zum Umgang mit der Endlichkeit. Innerhalb der Medizin
sind die verschiedenen Arbeitsfelder derart heterogen, dass von einem konsensfähi-
gen Menschenbild keine Rede sein kann. Ein Orthopäde hat mit hoher Wahrschein-
lichkeit völlig andere Philosophien im Kopf als ein Suchttherapeut. In ihrem Buch
„Theorie der Humanmedizin - Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns" ver-
traten Thure von Uexküll und Wolfgang Wesiack (München 1988) die These, man
könne zwischen einer Ingenieurmedizin für Körper ohne Seelen und einer Psycho-
therapie für Seelen ohne Körper unterscheiden. Die traditionelle somatische Medi-
zin verstehe den Menschen als einen nur von seiner Haut begrenzten Organismus.
Demgegenüber lasse sich psychosomatische Medizin „als eine Form der Heilkunde
beschreiben, die den Patienten in der Hülle seiner individuellen Wirklichkeit mit
ihren Kontakten zur Umgebung und den dort vorgefundenen Mitmenschen zu sehen
versucht" (a. a. O. S. 324). Die Medizin habe es versäumt, ein integriertes Modell
für Heilen zu entwickeln und daher scheine die Theorie der Medizin selbst hei-
lungsbedürftig zu sein.

Zur Frage, was Heilung sei, gibt es verschiedenste Vorstellungen. Ich halte es
für sinnvoll, Begriffe wie Gesundheit oder Heilung unter prozessualen Aspekten
zu reflektieren. Es ergibt sich dann nämlich die interessante Frage, ob diejenigen
Prozesse, die der Gesundheit bzw. der Heilung dienen sollen, wohl eine allgemein-
gültig beschreibbare Richtung haben können.

In der eher körperorientierten Medizin wird das Älterwerden als lebenslanger
Prozess häufig in erster Linie mit einer Zunahme von Beeinträchtigungen der Ge-
sundheit gleichgesetzt. Die Entwicklungspsychologie geht demgegenüber von der
Annahme aus, dass die seelische Entfaltung der Persönlichkeit als ein lebenslanges
dialektisches Geschehen begriffen werden kann, welches häufig gerade durch Kri-
sen und Leiden vertieft und intensiviert wird, sofern der betreffende Mensch nicht
an den Krisen und am Leiden scheitert.

R. Verres (Ei)

Institut für Medizinische Psychologie der Universität Heidelberg, Bergheimer Str. 20.

69115 Heidelberg, Deutschland

E-Mail: rolf.verres@med.uni-heidelberg.de

M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder,

DOI 10.1007/978-3-642-16361-6J4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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