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8ammer-8emester 1928 (64. ttaltijahr)

tteilleltierg. l. Mai 1929

Nummer 1



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vemntmartlicher 8christleiter: stittt. Ueltmut Zchlteu, lleiktelderg, 6eschost8;tmmer
liez ^81^, kerusgrecher 925. Vruck, llerlag unit Unjetgen-Unnat>me: Unioer-
sttätx-guchktruckerei s.tlörning, ttauptstraste 55s, sernsprecher 3955 umt 3936.

llie tldgake an ltie 8tultierenlien lter Uninersttät Ueiltelderg ersolgt kostento«.
6e;ug8prei5 lturch lten guchhomtel olter ltie 6ost km. 3.— tm 8emester.
?ostscheck-Kanto 9570 Korlxruhe tn gollen ss. Uörntng, llerlag. Ueilielderg).

,,ller Ueiltetderger 8tuitent"

ein watt ;u>- kinfühmng / llon 8r. Magnifuen; f'mfesfar llr. kor! llein8heimer.

Eine Zeitung der heidetberger Ztudentenschast, heraus-
gegeben vom Mgemeinen 5tudenten-5tusschuß, — was
soll sie sein? wa; bann sie sein?

Licherlich eines: ein Grgan, das alles Tatsüchliche
der Universität, als Lehranstalt und akadcmische Uorpo-
ration, und alles Tatsächliche, das ihre Ztudentenschaft
berührt und bewegt, getreulich und anregend meldet, unü
das sich hierbei gewiß nicht ausschließlich berichtend zu
vcrhalten braucht, sondern Wünsche, vorschläge — und
damit denn auch Xritik — zu Nlanchem bringen mag,
was fur den Lludierenden im Ganzen und Tinzelnen dcr
Univcrsität von lledeutung ist. Tin weiles Feld akade-
misch-journalistischer IZetätigung zcigt sich schon hier, auf
dicsem Gebiete der Tatsächlichkeiten; vielerlei Möglichkci-
ten sind gegebcn, Znteresse zu weckcn und tütig mitzu-
helfen an der fortschreitenden Tntwicklung im Gesamtbe-
reich unserer teuren alma mater. Ich widerstehe der

versuchung, diesen Teil eincs programms genauer auszu- !
führcn, so manche Krtikelüberschriften mir auch vorschwe- s
ben, — müßte ich doch fürchten, dadurch in die sustän- !
digkeit der Schriftleitung einzugreifen, die ihr werk in
studentischer Zelbstverwaltung aus Tigenem aufbauen soll.
Nur wünschen kann ich, aufrichtig und zuversichtlich, im
Namen unserer Universität, daß diese publizistik der Ltu-
dierenden sich lebensvoll bewähren möge, als ein wich-
tiges Ugens im vestande unserer Uuperto-Larola, als
eifriger Mitarbeiter bei der Trhaltung und Weiterbildung
aller ihrer reichen und schönen Möglichkeiten.

Indessen: soll eine oeitung der Gesamtstudentenschaft
einer Universität nicht noch mehr sein, als ein Grgan für
solche, sozusagen akademisch-berufliche verichte, varstel-
lungen und Trörterungen? 5oll nicht auch Gesin-
nungsmäßiges in ihr leben? und kann auch dieses
in ihr leben? Gsfensichtlich liegt hier die entscheidende

Frage, und offensichllich haben die Uommilitonen, von
denen üer plan dieser Zeitung stammt, sich gerade diese
§rage gestellt und haben sie bejaht. 5ie haben ihrer 3ei-
tung den Namen „Ver heidelberger Ztudent" gegeben und
damit angedeutet, datz in ihr „ver" kfeidelberger 5tu-
dent zu lvorte komnien soll, nicht nur in dieser oder jener
pojitiven Tinzelfrage des Ztudiums und der Grganisation,
sondern auch in dem, was ihn innerlich angeht, — der
Neidelbcrger Zludent als ein Ganzes und Tines.

Manch einer wird demgegenüber fragen, ob es dcnn in
vollem 5innc das gibt und geben kann, was sich hier
„Der heidelberger Ztudent" nennen möchte? Gb die 5tu-
dentenschaft einer Universität nicht doch bloß die 5umme
derer ist, die zufällig gleichzeitig immatrikuliert sind, um
eine Zeitlang hier mehr nebeneinander als miteinander
zu leben und zu arbeiken? Gb sie wirklich, über die
äußerliche Grganisation hinaur, irgend ein Znneres ver-
bindet, das in einem allen gemeinschaftlichen publizisti-
schen Grgan einheitliche Zprache gewinnen könnte?

Wenn wir die vingc unserer akademischen Welt nicht
bloß mit schönen Worten zudecken, sondern sie mit Lrnst
und Wahrl^aftigkeit in Tchtheit betrachten wollen, dann
liegt für eine solche Zrage in der Tat klnlaß genug vor.
Oenn es ist ohne weiteres klar, daß die Gesamtheit der
Ztudierenden nicht eine gesinnungsmühige Tinheit schlecht-
hin darstellt, und eine solche auch gar nicht darftellen kann.
Zicherlich verbindet unsere Ztudierenden Tines: die Idee
des vaterlandes. Und diese Gesinnung, aur den tiefsten
wurzeln des 5eins heraufsteigend, gibt ihnen eine einheit-
liche Grundlage ihres Mhlens und venkens. Nber wenn
wir sragen, w.ohin von dieser Grundlage aus oder wie
zu dem so gegebenen Ziele hin der Weg nun weiter füh-
ren mag, so dürfte es uns nicht Wunder nehmen, die 5tu-
dentenschaft ebenso geteilt zu finden, wie es die Nation
selbst ist, auscinanderjtrömend in verschiedene vahnen des
Weltanschaulichen, des Politischen, des Zozialen. vie 5tu-
dentenschaft kann und soll nichts anderes sein, als ein
Nbbild der Nation im Uleinen, ein Mikrokosmus, der die
Tigenschaften des umfassenden Ganzen zwar nicht in pro-
zentual gcnauen Maßstäben, aber dpch in voller vunt-
hcit der Zarben und Formen zeigt, in der ganzen Mannig-
faltigkeit und vielseitigkeit deutschen Wesens und deut-
schen 5trebens.

Nber wenn sich hiernach sicherlich jchpn in der 5tuden-
tenschaft die Gruppen andeuten, die dann in der Nation
einander gegenüberstehen, so ist es doch ebenso gewiß,
datz hier diese Gruppen innerlich noch nicht so intensiv
und abschließend gestaltet sind, wie später draußen im
„praktischen" Leben. vie 5tudentenfchaft einer Universi-
tät ist eine Gemeinschaft von Werdenden, von
Werdenden nicht nur auf dem Zelde der 5tudien, sondern
eben auch auf dem Gebiete all.es p.ersönlichen und jdamit
auch alles Gesinnungsmätzigen. Ls wäre fchlimm, wenn
es anders wäre, wenn jeder 5tudierende schon als ein
Nicht-mehr°5uchender zur Universrtät käme, eingekapselt
in Vor-Urteile, die er von irgendwoher mitbrächte. Mag
er ein Lingestelltsein nach dieser oder jener Nichtu,ng mit-
bringen, so ist das doch noch entfernt nicht ein gesin-
nnngsmäßiges Zestgelegtsein. vielleicht sollen wir Nlle
durch alle Lebensalter hindurch 5uchende bleiben, — der
5tudierende jedenfalls ist noch ein 5uchender und gerade
darin liegt wohl das veste seines Wcsens.

kluf diesem voden aber erwächst nun in der Tat der
5tudentenzeitung einer Universität ihre schönste, freilich
auch schwerste klufgabe, nicht zwar das Grgan einer
schlechthin einheitlichen Gejinnung zu sein, wohl aber ein
Grgan des Mit e inan d e r - 5u ch ens, eine 5telle also,
an der auch Gcsinnungsmäßiges von allen Nichtungen her
kameradschaftlich besprochen und verhandelt werden kann.

Möge „Ver heidelberger 5tudent" auch dieser klufgabe
nach Nrästen gerecht werden, unsern 5tudierenden ein
lfelfer und Nater, ein Führer auf dem gemeinsamen Wege

vorwürts und aufwärts!

ller tteiäelderger 8tuüent,

der dissc Vlätter in die Pand bekrommt, wird, sofern er

übcrhaupl geneigl ist, ihnen Vcachtung zu schenken, viel-
leicht erstaunt sein.

Trslaunt darüber, daß in so überraschend kurzer Zeit
der plan einer 5tudentenzeitschrift, einer unabhängigen,
gutfundierten, wohlverantwortlichen, wirklichen 5tudenten-
zeiischrist verwirklicht worden ijt — oder erstaunt dar-
übcr, daß 5tudenten sich autzerhalb der hörsäle und der
Tramina so wichtig nehmen, daß sie sich um eine eigene
Zeitschrift kümmern - das bleibe dahingestellt.

5o wenig wir darauf abzuheben brauchen, wie wenig
jener zweite Grund zum Trstaunen uns begründet oder gar
nur verständlich schcinen könnte, so sehr müssen wir gleich-
zeilig betonen, wie vollkommen wir mit allen unseren
Freunden jenen ersten Grund zum Lrstaunen sür berechtigt
ansehen.

lvir wollen uns dabei nicht lange aufhalten. Zahre-
lange Gewohnheit, mangelndes Interesse bei der 5tuden-
tenschaft während vieler 5emester, und dazu das viel-
leicht einmal berechtigt gewesene Mißtrauen von oben
allen Vingen gegenüber, die die 5tudentenschaft mit der
Gssentlichkeit in verührung bringen, — hatten den bis-
herigcn Zuftand begünstigt. vaß viele troß seines Weiter-
beslehens nicht mit ihm einverstanden waren, beweisen
die mancherlei versuche, die in den letzten Iahren unter-
nommen wurden, zu einer Zeitschrift zu kommen, wie sie
eine geistig interessierte 5tudentenschaft verlangen kann,-
der, vielleicht leider zu früh, eingegangene „Nomplizissi-
mus", letzter verfuch dieser klrt, dars die Thre sür sich
in klnspruch nehmen, ein nicht zu unterschätzender Weg-
bereiter für die Zeitschrift, die wir heute beginnen, ge-
wesen zu sein.

Was wir wollen

können wir, so weit es nicht schon in den vorangegangenen
worten liegt, in Uürze sassen.

Wir wollen die Trörterung studentischer Fragen in sach-
licher, ofsener, niveau-haltender Zorm, und vor allem auf
breitester vasis.

wir wollen eine verbindung zwischen den einzelnen Za-
kultäten herstellen, die jetzt noch so vermißt wird und>
deren Zehlen uns, sobald die getrennt liegenden kjörsäle
und Institute verlassen sind, völlig ungerechtfertigt er-
scheint.

Wir wollen auch eine bessere und wirksamere verbin-
dung zwischen 5tudenten und professoren sördern, weil
uns der jetzige Zustand nicht gefällt.

Wir wollen Nnregungen geben, vorschläge machen, kfin-
weise bringen, — soviel man nur hören und ausnehmen
und verwirklichcn will.

wir wollen — wenn wir uns auch gleichzeitig um
audere als rcinstudentische Vingc im schönen heidelberg
kümmern wcrden - - nicht allzu „akademisch" bleiben,
soweit dies Langeweilc, Ünanfgewecktheit, 5teifheit be-
deutet: wir befürchten mehr zu schaden und uns tadelns-
wert z» beiragcn ducch Uichtsagen von vingen, die uns

auffallen, "nd Ve''sch>ve!gen von Nng^legenhcilc", die uns

nicht gefallen, - als dadurch, datz wir einmal deutlich
und ungeschmmkt, und mit allen Registern von 5cherz,
5pott, Oronie inklusive aller tieferen Ledeutnngen unsere
Meinung sagen.

Wir wollen hoffen, daß unsere Nbsichten verstanden
und überall dort bald ebenso gesörüert werden, wo man
ihnen noch ein wenig mißtrauisch gegeniibersteht.

Wir wollen hofsen, daß eine geneigte Zeitgenossenschaft
uns wohlgesinnt und mitarbeitsbereit bleibt, auch wenn
wir sie gelegentlich nicht nur loben können.

Wir wollen hoffen, datz uns all dies gelingt — und
wollen, haben wir nur einen kleinen Teil davon im ersten
5emester verwirklicht, vollauf zufrieden sein!

Was wir sollen

und was man von uns erwartet, hat 5e. Magnifizenz
anläßlich der Genehmigung unferes Unternehmens durch
den Tngeren 5enat in folgende Worte gekleidet:

Heidelberg, den >5. Kpril >424.
ver Sngere Lenat hat mich eniiSchtigt, dem Kllgemeinen Stu-
denten-kluilchus, da, Zalgende bekannt zu geben:

vie blrl>er unter ^m Titel ,Mademische Mlttellungen" herour-
gegebene periodisch« publikation soll alr solche «iqgestellt werden.
Vafllr ertellt der Engerc Senat der Heidelberger Studentenichast
di« «Senetzmigung, beim verlag Z. HSrnilng tzler eln anderer perlo-
discher chrgan, unter dem Litel „Ver Heidelberger Student, Üka-
drmische Mitteilungen" tzeraurzugeben. vlese Lenehmigung Ist
widerrufllch, doch wibd der Lnger, Seuat von dem widerrusrrecht
nur Sebrauch machen, wemi schwer« MSngel im Znteresse ber ktn-
sehen» der Universititt, der Zriedenr unter der Studentenschaft oder
der issfentllchen GrdMug die« nach ktnslcht de» Senatr erforderlich
machen lollten.

ver «ngere Senait tzat ;ur Studentenschast da» vertrauen, das»
ein kinlah HIer;u nicht eintreten werd«.

Lr erwartet von dcr Studeutemschaft, dak e» Ihr gelingen werde,
dar neue Srgau zu elner lebenrvsllen publikation ;u gestalten,
durch welche dar Aemeinschaftrgesiitzl allrr Keidelberger Studle-
renden geweckt «nd genLtzrt wird, und dah die Seitung, deren
Sreihest an sich in kelner weise eingeschrlinkt werden soll, alle
LrSrtrmngen und Inrbesonder« auch dst klurtragung »sn Mei-
nungrverschledenhetten stetr In einem Selste behandelt, der solchem
akademischen Kemeinschaftrgefützi entspricht.

<kr erwartet fermr, dah die Sestung in dcr Sach« und in der
Zorm stet« der wiirde der UniversitSt und itzrer Studentenschast
entspreche. Lr ermatznt die Studenteuschast, desondere Sorgfalt
und besonderer klugenmerk auf die sprachliche Kestaltung aller
verSffentlichnngen zu richten.

ver Lngere Senat wilnfcht nicht, eine ftSndlge Uederwachung
der Aeltung durch die Unlv-erfität seldft elnzufützren, wotzl ader
soll dl« Studentenschaft ihrerfestr ein Mitglied de» LetzrkSrperr
darum ersuchen, itzr bei der Heraurgabe der Seitung beizusktzen,
um seder vedenken gegen lhren Znhalt von vornherein aurzu-
schalten. viesem verater der Studentenschast, dessen persSnlichkelt
edenso wie die d-r besteiiten Nedakteurr iewell« dem Lngeren Senat
bekannt zn gebe» ist, ist lede Nummer vor endgMIgem Kurdruckeii
vorzulegcn: er soll dar «echt haden, dle Uurgabe elner von Ihm
beanstandeten Nummer zu untersagen. gez.: Heinrtzeimcr.

5oweit programm, wunsch, ffoffnung und vefürchtung.
Ts liegt mehr an denen, die heute davon lesen, als an
uns, die wir uns darum bemühr haben, -- wieviel davon
verwirklicht wcrden wird.
 
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