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Minter 8emeiler 1S2g/ZÜ ^65. Hatbjahr)

Neiltetderg. i. Naoemder 1929

Nummer 1

lles Neiäelberger SluUent

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llerimtmmllicher 8chiistletter: stml. ttellmut 8chlteii, tlelileHierg, 6eschäst5>immer
ckes ^81^, Morstalltins Z", kernsstr. 92Z. Nruck, lterlag u. ftnieigen-ftnnahme:
Untoersttät8-8uchl1ruckeret s. tlärning, tlaiifllstrahe 55 s, fernsprecher Z9Z5/ZK.

Nie Ntigabe on äie 8tul!ierenäen äer Uniuerstlät tletäelderg ersalgt kostenla«.
6eiug8prei.v äurch äen Kuchhanäel oäer äie fast km. Z.— Im 8emester.
f'astscheck-Konta S570 Karlvruhe in Oaäen sl. Uärnlng, Uerlag, Ueiäelberg).

llr. llr. h. c. Kustan 81resemann f.

In einer Seit HSchster Suspitznng Ser politischen Gegensätze wird Sie Sahl der politiker, die üder
den ttreir ihrer eigenen partei hinau; Sustimmung und Anerkennung finden, immer kleiner.

Se unerbittlicher die Ligengesetzlichkeit der weltwittschaftlichen Maschine dar historische Seschehen
zwangrläusig bestinrmt, desto enger ist der Spielraum, der dem schöpserischen wlllen der ZührerpersSn-
lichkeit verbleibt.

var ist -ie Kufgabe -er politikerr in unserer Seit: dar Siel zu srhen, dem die geschichtliche Lnt-
wicklung entgegendrängt und im vorgarten der Taktik den weg nicht zu verlieren, der zu ihm hin-
sührt.

Langsam nur und widerwillig verläht veutschlandr akademische Iugend -ie alten vurgen der ps-
litischen komantik. Nur selten zwingt sie sich zur Nnerkennung nüchterner Neaiitäten. Und die er tun,
verlieren sich im Netz der Nlltagrarbeit und denken statt in Iahren und Sahrzehnten nur daran, wie sie
den vedarf der nächsten Stunde -ecken.

vie heutige Generation steht einer Mlig neuen welt gegenüber. Und er dedarf anderer Methoden
alr der alten, soll diese welt auch fernerhin dem menschlichen willen gehorchen.

varum stehen alle parteien und alle Nationen erschüttert am Grab« Vr. Stresemmmr, weil er
-ar geschichtliche Gebot dieser Srit in seinem werk vollstreckte.

freie 8tuäentenschast, freies führertum!

Marum 8tuäentenpo!ltik? — 6urschensreiheit — 8tuüentische 6utanomie.

von Lrich

I.

Warum eigentlich Ltudentenvertretung und Studenten»
politik? )a, warum eigentlich sollen aurgerechnet Stu-
denten verwalten, politisieren, nach Uarlsruhe reisen, in»
trigieren, Zlugzettel verteilen und sich gegenseitig an-
schwärzen? lvarum wird nicht lieber nach altem vrauche
gebummelt, Bier bzw. Uaffee getrunken, gefochten und
nach dem vorbild von fferrn Engesser geritten und etwas
verspätet Lxamen gemacht? Zn diesen schlechten Seiten,
wo die Uranken selbst in der chirurgischen Nlinik wieder
gesund werden, wo selbst die exakte Naturwissenschast
Nreuzvisionen hat, und die bemosertsten ffäupter am Ne-
ferendarexamen zerschellen, — in dieser Seit sollte man
lieber etwas an die Gesetze der liapitalbildung denken,
wie sie in dcr Insosta so herrlich kompliziert dargestellt
werden.

viele hundert Iahre ist es ohne Nsta gegangen,- der
Universität wäre es sicher angenehm, wenn er verschwände,
viele Leute würden verträglicher werden, manch ein treff»
licher Zurist würdc seine Lnergie anspannen zur Lrgrün»
dung der Neichsverfassung statt zur Begründung eines
Nntrages über die Nnschasfung einer automatischen Sum-
Ivort-Melde-Maschine zum Gebrauche sür den Gppositions-
führer. Und was soll schon eine vertretung, wenn sie
bei den wichtigsten Nnlüssen, z. L. bei veratung eines
für ihren täglichen Gebrauch bestimmten Neubaues, be-
wutzt übergangen und ignoriert wird?

Uurz: Geist, Geld, Lnergie, höflichkeit und Lrziehung
würde gespart und eine Menge Leute, die weder das
eine noch das andere haben, brauchten es nicht vorzu-
täuschen.

II.

Trotzdem mutz die studentische vertretung erhalten blei-
ben; um des volkes und des Führertums, um der Uni»
versität und um der Nepräsentation willen!

Leider Gottes wird bei der Nrgumentation meist der
letztc Grund, der der unwesentlichste und äutzerlichste
ist, vorangestellt. Nlle anderen Studentenschaften dcr lvelt
haben eine Nepräsentation. Wir müssen also auch eine
haben. Natürlich, aber deswegen brauchen wir uns nicht
von irgendwelchen Minderheiten in verbindung mit außen-
tehenden, bureaukratischen Uräften tyrannisieren zu lassen.
Lnd die reine Nepräsentation in Wichs mit Zahnen be-
orgen die Norporationen schon lange gut genug, und wenn
chon dabei eine schwarz-weitz-rote Zahne vorkommt. —

wichtiger ist schon die Linheit der Universität, die heute
auf die stärkste probe g^tellt wird. vie Zakultäten leben
isoliert nebeneinander her, selten, datz hier und da durch
gesellschastliche Beziehungen von profefsoren eine Berüh-
rung von Medizinern und Naturwissenschaftlern, Sozio-
logen und Iuristen entsteht. Bm großen ganzen sorgt


Hunger.

ksicr bringen wir «ndlich di« pofltiven vorlchläge des vielbe»
schrieenen unernmdlichen itritiker; der Zustündc an dcr Universi-
tät. Mr behalten uns unsre Stellungnalpne zu ibiu-n vor.

vie kledaktion.

schon die Grenze der Fachsprache und die persönliche Litel-
keit dasür, datz man sich vorsichtid aus dem Wege geht.
Selbst die philosophische Fakultät ist an den meisten Uni-
versitäten in Sprachen, Geschichtsperioden und philoso-
phische Schulen aufgelöst. Weit sichtbar für jedermann
aber steht die Isoliertheit und Unzeitgemäßheit der Univer-
sität da in der Nbsplitterung oon Technischer ffochschule
und ffandelshochschule und allen möglichen Spezialaka»
demien. vie verkalkte Theorie ist nicht in der Lage, die
praktischen Lrfordernisse zu oerarbeiten und in ihre Snsti-
tutionen mit hineinzunehmens sie schlägt die dargebotene
ffand aus, wenn ihr etwa die Ubernahme einer, in der
Nachbarstadt gelegenen, ffandelshochschule angeboten wird.

va also weder gesellschaftlich noch systematisch die Idee
der Universitas von den bestalteten vertretern gesördert
werüen kann, so mutz die Studentenschast an ihre Stelle
treten. vie Studentenschaft, als das durch alle Fakultäten
gehende anregende und verbindende Fluidum, hat pslich-
ten, den Geist einer Universitüt zu gestaltcn und darzu-
stellen. In Lngland oder Skandinavien weitz man ganz
genau, was eine sestgefügte, lebendige Studentenschaft wert
ist> wenn man von dem Geist und Niveau einer Univer-
sität spricht, meint man den Geist und das Niveau einer
Studentenschaft und nicht dcs Senats oder einer
Hakultät. vafür arbeiten auch viele führende vozenten
diskutierend und organisierend an der repräsentativen Ge-
staltung der Studentenschaft und damit der ffochschule mit,
und man kommt nicht auf die Bdee, jüngeren vozenten
und Nssistenten den Stuhl vor die Tür zu -setzcn, weil sie
sich „nach unten schustern*. So wird wirklicher Zusam-
menhalt zwischen beiüen Grganen, Studentenschaft und
vozentenschaft gesichert; dann erst blüht eine Universität
als Ganzes, denn die grotzen Zragen werden heute nicht
in den philosophischen und soziologischen Seminarien ge-
löst, — die sind fachmätzig, schulmätzig, leider z. T. sogar
politisch viel zu sehr abgeschlossen —, sondern nur vor
einem Gremium, das den philosophisch konstruierten Ge»
gensatz Naturwissenschaft—Geisteswissenschast wieder zu-
sammenfügt, — und das ist heute die Studen-
tenschast. (Immer wieder hört man von Mnstlern,
Journalisten und Literaten, wie öde und kulturlos sie
die moderne Universitätsstadt empfinden. va diese Leute
von der Zeitung meist nach ihren Lrfahrungen mit den
Zeitungsinstituten urteilen, ist das Urteil natürlich ein-
seitig, aber wo ijt das Grgan, das die Universität geistig
repräsentiert?)

III.

Noch immer ist die Nkademikerschast der Teil des vol-
kes, aus dem vornehmlich seine Führer emporsteigen.
Man mag das begrützen oder verwerfen, es ist einfach
eine soziale Tatsach«, daß derjenige, der an der höchsten

Mir moilen unter un8 seln.

Wenn cs einen Wunsch gibt, der denen des ersten Se-
mesterganges zugesügt werden sollte und der der Schrist-
leitung sehr am fferzen liegt, so ist es dieser: Wir wollcn
unter uns sein.

was die Iugend, wenn cs galt, der „Süngsten Dene-
ration" von anderen Generations-Lagern her helfend und
vcrstehend beizuspringen, immer wieder einstimmig betont
hat (sofern sie sich nicht wichtiger nahm als es ihr auch
bei wohlwollendster Schätzung zuküme), was auch auf
dem Streitplatz des Literarischen immer und immer wieder
gefordert wurde: man lasse endlich die Iugcnd gesülligst
in Nuhe, kümmre sich nicht in dieseoentsetzlichen Nufdring-
lichkeit um ihre probleme, Wünsche und Schwierigkeiten,
— das erscheint uns wichtig, auch einmal mit aller Dffen-
heit und aller Veutlichkeit hier auszusprechen.

vas vergangene Semester war reichhaltig an Lemüh-
ungen, uns mit unserer Nrbeit nicht in Nuhe zu lassen^
aber man rechne einmal gefälligst nach, was üabei heraus-
gekommen ist: eine unnötig komplizierte Nlethode, un-
serc Zeitung langsam im Niveau zu drücken und ein im-
merwährender versuch, Unsicherheit und Unbestimmtheit
in unsere Nrbeit hineinzutragen.

Man lietz uns in diesen Nugenblicken fast zum Mittel-
punkt Luropas werden, man sprach wahrhaftig davon,
durch unsere Nrtikel werde — die deutsche Nutzenpolitik
gefährdet und was dergleichen Unsinnigkeiten mehr waren.

Wir haben, nach den bisherigen Lrfahrungen, nicht vor,
uns in eine ausgedehnte viskusjion über unsere Stellung
einzulassen. Wir beginnen aber die Nrbeit des neuen 5e-
mejters mit einer Zorüerung, die man in Zukunft ge-
sälligst respektieren möge.

Wir sind eine Studentenzeitung, eine leidlich sreie, dem
Meinungsaustausch unter uns Studenten dienende, ihren
Lhrgciz in der Nnbahnung einer neuen Zusammenfassung
der Studentenschast sehende Zeitung. Wir suchen unserer
pflicht zur wahrung der studentischen Belange durch eine
verantwortungsvolle Publizier-Tätigkeit so gut zu erfüllen
wie es nur in unseren Nräften steht. varüber hinaus
lehnen wir jede Betätigungs-Nbsicht und jeden Leeinslus-
sungs-versuch grundsätzlich und mit aller Scksärfe ab.

Ls entspricht unserem Ziele, wenn wir an dieser Stelle
nochmals einen Nufruf zur Mitarbeit aller, die es an-
geht und die etwas zu sagen haben, ergehen lassen. Ie
s weniger die noch abseits stehenden Studenten ihr Licht
unter den Scheffel stellen, desto eher wird das erreicht
werden können, was wir wollen. Sm übrigen bleibt es
sür die Nußenstehenden in diesen Nngelegenheiten bei dem
wunsche: man lasse uns gefälligst unter uns.

Bildung der Nation teil hat, auch vorzüglich zu ihren
höchsten Nmtern berufen ist. Natürlich gcht das Gros
in die Beamtenschaft, wie ein Teil in die sreicn Verufe,
ja ein kleiner prozentsatz geht sogar in die Studentenhilfe
und ein noch kleinerer wird wissenschastlicher Nrbeiter
oder geht direkt zugrunde, — aber man wird nicht
lcugnen, ein Teil dieser harmlosen netten Kommilitonen
siht in 10 Sahren in wirtschaftlich und politisch sehr ein-
flußrcichen Stellen. vie Studentenpolitik ist also deshalb
wichtig, weil sie mit ihrer Nrbeit einen sozial und mensch-
lich ungleich qualifizierten volksteil trifft, als die alltäg-
liche, stumpfsinnige Massenpolitik. In einem noch vor
zehn Iahren ständisch regierten volk liegt die Lntscheidung
überhaupt gar nicht bei den Massen und wahlen, son-
dern bei den Lureaukratien, Nörperschaften und parteien,
und in diese maßgebenden Grganisationen kommt man
direkt von der ksochschule hinein. von dort aus gesehen
ist die ffochschule ein bequemer, hübsch gelegener Grt, wo
man einige Iahre ausruhen und austoben, die aller-
nötigsten Nenntnisse einpauken und einige Nltersgenossm
kennenlernen kann, mit denen man später zusammen»
arbeitet.

Nun hat man überall in der Gesellschaft das Gesühl,
daß diese rein praktische Linstellung und selbst die be-
währte Lrziehungsarbeit der Norporationen für pathos
und Lthos, Nepräsentatton und verantwortung der spä-
teren hohen Stellung im Leben nicht mehr genügt. Man
fühlt sich ein wenig in der Lust HSngend, das volk er-
kennt dieses selbstverständliche, ererbte oder erheiratete
Führertum nicht mehr an, man wünscht junge Nräste,
man ist gesellschastlich vorurteilsloser, man redet überall
vom Nufstieg der Tüchtigen und wünscht ihn auch, man
weitz nur nicht, wo den Hebel ansetzen und die Nuslesa
vollziehen. vie Universität liefert voktoren, aber sie sehen
 
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