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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0216
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194 —

i 'K

nichts anders, als eine gotbische Nachahmung jener antiken Tabernakel; und eben daher ist
auch die Form der Altäre mit ihren Säulen, Statuen und Gemälden in den Kirchen neuerer
Zeit herzuleiten, nur dafs gewöhnlich der Altartisch vor den Säulen vortritt

Das Anbringen der Säulen, Halbsäulen und Pilaster bey dem Nischenbau ist also kei-
nesweges verwerflich, nämlich in so fern eine Nische zum Behältnifs für irgend eine Bild-
säule bestimmt ist. Auch kann der Architekt die Monumente und das Verfahren der Alten
bey dem Bau der Altäre und Tabernakel zum Muster nehmen. Nur mufs er sich vor dem
Fehlgriff hüten, die Säulen, Pilaster und Giebel, welche wir an den Nischen und Taberna-
keln der Alten wahrnehmen, nicht auf den Thüren- und Fensterbau übertragen zu wollen.
Die Neuern, welche den Geist der alten Kunst in dieser Hinsicht nicht gehörig auffafsten,
sind häufig in diesen1 Fehler verfallen, und dadurch ist für ihre Werke, so wie für die neue-
re Kttnst überhaupt) ein grofser Nachtheil erwachsen;

Siebzehnter Abschnitt.

Von d 6 n Stockwerken.

§. l. Da in den vorhergehenden Abschnitten von allen einzelnen Theilen, welche zum
Bau irgend eines Stockwerkes gehören, gehandelt worden ist, so kommen wir zur Betrach-
tung der Stockwerke im Ganzen.

Unter Stockwerk verstehet man einen — sey es-in Säulen, Arkaden, oder in einfachen
Wänden — umbauten Raum auf demselben Plane, und unter demselben Deckenwerk. Ein
solcher Raum kann dann wieder durch Scheidewände in mehrere theils gröfsere, theils klei-
nere Abtheilungen eingetheilt seyn. Man nennet eine Reihe solcher Abtheilungen neben
einander auch kurzweg einen Stock, oder ein Geschofs.

Die Stockwerke haben nach ihrer Lage, Bestimmung Und Gröfse eigenthümliche Be-
nennungen. Es giebt erstlich unterirdische oder Kellergeschosse, welche nur so viel über das
Erdreich vorsteheü, als nöthig ist, sie zu erleuchten und zu lüften. Ein Stockwerk zur ebe-
nen Erde heifst das untere oder erste Geschofs, in so fern noch andere darüber erbaut sind}
und diese nennet man die öbern Stockwerke, oder das zweyte, das dritte u. s. w. Die Be-
nennung des Hauptgeschosses erhält dasjenige, worin sich die gröfsem und vornehmern Ab-
theilungen eines Gebäudes befinden. Dies kann bald das Stockwerk zur ebenen Erde, bald
das zWeyte seyn. Halbstockwerke — für geringere Bestimmungen — heifsen solche, welche
ungefähr nur die Hälfte der Höhe von den Hauptgeschossen haben. Man nennet sie auch
Zwischengeschosse, in so fern sie zwischen zwey Hauptstockwerken angelegt sind, Und den
Namen Attika erhalten sie, Wenn sie über den Hauptgeschossen das Gebäude unter der Da-
chung beendigen. Die Benennung Attika für solche Halbstockwerke ist neu, und scheint
ihren Ursprung von den gleichseitigen Pfeilern zu haben, Welche nach Pliiiius (56, 5&) auc^
attische Säulen heifsen. Der Namen ist aber sehr uneigentlich gewählt, da zu diesen Halb-
geschossen selten Pfeiler gebraucht werden. Noch eher könnten die Geländer, welche über
das Oberste Kranzgesimse um flache Dachungen gesetzt werden, diesen Namen verdienen;
denn bey diesen werden wirklich von Weite zu Weite Pfeilerchen aufgestellt, um das Stan-
gen- oder StäbWerk dazwischen gehörig zu befestigen (PI. XLV. Fig 1-5.).

Noch giebt es Dachgeschosse, nämlich solche, welche in der Dachung selbst angebracht
werden. Ein Geschofs in einem sogenannten gebrochenen Dache heifst auch eine Mansarce,
nach dem Namen des französischen Baumeisters Mansard, der die gebrochenen Dächer mit
solchen Halbstockwerken zuerst in Frankreich einführte.
 
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