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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Roessler, Arthur: Zu den Arbeiten von Architekt Gottfried F. E. Czermak, D. W. B.-Brünn
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0143

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ZU DEN ARBEITEN VON ARCHITEKT GOTTFRIED F. E. CZERMAK, D.W.B.-BRÜNN

— und so wird die irdische Wohnung allmählich
zu einer Art irdischen Schreines, zu einem
Allerheiligsten des Gefühles. Walter Pater.

Die Schönheit ist nicht etwas vom übrigen
Dasein Gelöstes, das nur den wenigen zugäng-
lich ist, die durch den Zufall ihrer physischen
Natur dafür inklinieren; sie ist vielmehr die
Quintessenz des Lebendigen. Karl Scheffler.

Ist es zum Verständnis und Genüsse der Arbeiten
Czermaks nötig, sie zu interpretieren? Ich glaube, nein;
oder wenn schon, dann derart, indem man von ihm spricht.
Denn worauf ist des Künstlers Bestreben gerichtet ? Das
Daseinsglück zu vermehren. Und dies gelingt Czermak
für sich und jene, die seine Arbeiten empfangen und ge-
nießen.

Gottfried Czermak gehört jener Gruppe der jungen
Generation österreichischer Künstler an, die als Mängel
verrufene österreichische Eigenheiten in europäische Tu-
genden zu verwandeln vermögen. Er hegt Vertrauen zur
natürlichen Tüchtigkeit des Volkes, dem er sich ange-
hörig fühlt. Er will nicht anders sein als es ist; er hat
den Mut zu sich und der Art seines Volkstums, ist warm,
bewegt, erregt, flink, geistesgegenwärtig, geschickt. Er
besitzt entwickelte Einfühlungsfähigkeit und die Gabe
der Erfindung; doch hält ihm die klare Schärfe des Ver-
standes jederzeit den Spieltrieb der Phantasie in Zaum.
Gewiß, auch in ihm gährt ein Vorwärtsdrängen, zuckt
ein Verlangen, sich Probleme zu stellen, die noch unge-
löst sind; aber er läßt — aus Gewissenhaftigkeit oder
charaktervoller Vornehmheit — für die Kosten, die aus
Versuchen erwachsen, nicht andere büßen, trägt sie selbst
und bietet nur Gelungenes dar, praktisch Erprobtes,
Ärgernisloses. Wo Czermak verwegen wird, dort ist er
ganz besonders des Erfolges seines Übermutes sicher.
Er hat nicht Furcht vor Allem, was keinen allgemeinen
Nutzbarkeitswert besitzt und steht dem bloß Ästhetischen
durchaus nicht feindlich gegenüber; aber ihm gilt die
Schönheit nicht als etwas nur Ideelles, sie ist ihm kein phi-
losophisches Thema, sondern eine von allem ästhetischen
Dogmatismus entbundene, höchst rege Lebensfrage, deren
richtige Beantwortung, in dem von Schiller geforderten
versittlichenden Sinn der Ästhetik, er in der Sinnfällig-
keit der praktischen Anwendung erkennt.

Für das Gedeihen und die Ausbreitung des modernen
Kunstgewerbes in Osterreich ist Czermaks Persönlichkeit
und emsige Tätigkeit von beträchtlicher Bedeutung, da
er es ist, der am kräftigsten dazu beiträgt, die Provinz
für das neue Kunstgewerbe und die neue Kunst zu er-
obern. Czermak hat eine deutliche Vorstellung von der
naturgewaltig starken Sehnsucht des Menschen nach
einem Heim, einem Heim, das durch Schönheit veredelt
ist, und übt Rücksicht auf die Individualität des Menschen,
dessen Heimsehnsucht zu befriedigen ihm aufgetragen
wurde. Er hat nicht den kleinlichen Ehrgeiz, um jeden
Preis, sei es auch auf Kosten von bedenklichen Verstößen
gegen Gewissen und Geschmack, als »interessant« zu
erscheinen; er will nicht justament »apart« sein und als
»Spießerschreck« durch Fragwürdigkeiten, deren er sich
später vor sich selbst schämen müßte, verblüffen, sondern
hat den Ernst und den Mut, sowohl den zelotischen
Neuerungs-Revoluzzern wie den zornwütigen Traditions-

Fanatikern gegenüber, einfach ersprießliche Arbeit zu
leisten, die den Benützern gefällt und behagt. Czermak
versteht es, das reich gewordene Bürgertum aus seinem
Ideenpanzer althergebrachter Voreingenommenheiten
langsam, sachte, aber sicher herauszuschälen und den
Spott, mit dem es sich gegen gedankliche und dingliche
Neuerungen wehrt, gegen es selbst zu wenden. Man
kann ihn als einen der erfolgreichsten Propagandeure der
Tat auf dem Gebiete der modernen Gewerbekunst in
Osterreich bezeichnen. Auf Reisen durch das eigene
Land und fremde Länder sah und studierte er viele und
verschiedenartige Menschen, Wohnstätten und Einrich-
tungen. Er unternahm die Fahrten nicht zur müßigen
Ergötzung — wer ihn näher kennt, weiß, daß er in
seiner Arbeit zugleich auch seine Lust findet — und ist
daher beflissen, das Geschaute zu verwerten. Er tut
dies in der ihm, der mehr Organisator als Creator ist,
bequemsten Art, indem er ohne falsche Scham und
Schüchternheit anwendet, was er irgendeinmal irgendwo
mit Vorteil wirken sah. Just das, was man den modernen
Baukünstlern und Innenarchitekten gewöhnlich zum Vor-
wurf macht, daß sie von den Werkstücken zeitgenössi-
scher Künstler nur sehr selten Gebrauch machen, in den
meisten Fällen alles von A bis Z nach eigenen Entwürfen
anfertigen lassen, das kann man Czermak nicht vorwerfen;
da er aber, wie jeder erfolgreiche Mann, mißgünstige
Wegbegleiter und Neider hat, machen sie ihm aus der
Liberalität, mit der er einem von ihm geschaffenen Rah-
men Zierstücke aus anderer Künstler Werkstätten ein-
fügt, einen Vorwurf. Es wäre leicht zu beweisen, daß
Czermak es nicht nötig hat, bei andern zu borgen, denn
all das, was er bisher hervorbrachte ist so zahlreich und
mannigfach, vom Haus bis zum kleinsten Gerät darin,
und so persönlich geartet, daß jedes Mißtrauen und selbst
der leiseste Verdacht, er könnte vielleicht notgedrungene
Anleihen gemacht haben, dadurch erdrückt und erstickt
werden muß. Da Czermak nun aber doch, was gar nicht,
auch von ihm nicht geleugnet wird, wenn es ihm passend
dünkt, sich bei Inneneinrichtungen der käuflichen Arbeiten
anderer bedient, mögen es nun Glasfenster, Türbeschläge,
Beleuchtungskörper, Teppiche oder Kissen sein, muß
gesagt werden, weshalb er das tut, und daß er mit gutem
Recht so verfährt. Czermak ist bewußt und mit leiden-
schaftlichem Willen Sozialarchitekt, dem Bedürfnisge-
danken des Schönen ergebener Konstrukteur, der durch
planvolles Zusammenfassen aller lebendig wirkenden
Kräfte seiner Zeit für sie wirken will. Man kann ihn mit
einem Komponisten vergleichen, der sich auch als Diri-
gent gern betätigt. Er läßt in seinem Orchester jeden
Musiker sein besonderes Instrument spielen, aber doch
nur jene Teile der Komposition, die ihm die Czermaksche
Partitur zwingend vorschreibt. Czermak ist es um das
wirkungsvolle Zusammenspiel zu tun; er duldet in seinen
Raumkompositionen kein »Startum«, nicht einmal sein
eigenes. Die Bewohner der von ihm entworfenen und
ausgeführten Räume fühlen sich deshalb auch nie fremd
angemutet von einer herrischen Willkür, denn das eine
oder andere Ding, das er mit fein wählendem Geschmack
verwendet, ist ihnen von ungefähr bekannt, hat ihren
Gefallen erweckt, und sie fühlen mit den vielfältigen Be-
 
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