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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Graeven, Hans: Typen der Wiener Genesis auf byzantinischen Elfenbein-Reliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0096
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TYPEN DER WIENER GENESIS AUF BYZANTINISCHEN ELFENBEIN-
RELIEFS.

Von

Hans Graeven.

ie Wiener Genesis nimmt unter den illustrirten griechischen Bibelhandschriften,
die aus frühchristlicher Zeit auf unsere Tage gekommen sind, den vornehmsten
Platz ein; aber auch sie scheint nur ein bescheidenes Bruchstück eines einstmals
ungeheuer reichen Codex zu sein. Er hat vermuthlich den ganzen Hexateuch ent-
halten und man hat seinen Umfang auf annähernd 255 Blätter mit 510 Miniaturen
berechnet.1 Auf das erste Buch Mosis allein kamen mindestens 62 Blätter. Davon
sind kaum zwei Fünftel übrig geblieben, deren Miniaturen verhältnismässig gut

erhalten sind, zumeist selbst ihre Farben noch frisch bewahrt haben.

Das Seitenstück der Wiener Genesis, die sogenannte Cottonbibel, ist vom Schicksal viel un-
barmherziger behandelt worden. Als diese Handschrift von zwei griechischen Bischöfen aus Philippi
nach England gebracht wurde, um als Geschenk für den König Heinrich VIII. zu dienen, besass sie
noch 250 Miniaturen;2 aber die Feuersbrunst, die 1731 in der Cotton-Bibliothek ausbrach, hat auch
diese Bibel angegriffen und zum grössten Theile vernichtet. Die geretteten Reste sind in einer traurigen
Verfassung, keine der erhaltenen Miniaturen ist vollständig, die Farben sind fast gänzlich geschwunden
und nur mit Mühe lassen sich die Darstellungen der Fragmente erkennen.3

Die dritte und letzte Probe alttestamentlicher Illustrationen aus frühchristlicher Zeit bietet der
Josuarotulus der Vaticanischen Bibliothek.4 Er trug ursprünglich gar keinen Text sondern nur eine
fortlaufende Reihe von Bildern, denen hier und dort ein einzelner Name zur Erklärung beigeschrieben
war. Später wurden weitere Namen und unterhalb der Bilder Auszüge des Textes zugefügt. Die Bil-
der sind nicht wie in den beiden Genesishandschriften mit Deckfarben ausgemalt. Es sind vielmehr
schattirte Umrisszeichnungen, bei denen nur einzelne Theile der Gewandung angetuscht sind, und
zwar enthielt die Palette des Malers keine Farben als Braun, Weiss, Roth und Blau. Der Erhaltungs-
zustand ist auch hier ein befriedigender; doch fehlen grosse Theile der Rolle, die ursprünglich ungefähr
doppelt so lang gewesen sein muss wie heute.5

1 Härtel und Wickhoff, Die Wiener Genesis, Beilage zum XV. und XVI. Bande des Jahrbuches der kunsthistorischen
Sammlungen des Allerh. Kaiserhauses, S. 143.

2 Gatalogue of ancient manuscripts in the British Museum, Part I: Greek, London 1881, p. 20.

3 Eine vollständige exacte Publication der gesammten Fragmente steht noch aus. Eine Probe in den Farben des
Originals gab Westwood, Palaeographia sacra pictoria, London 1843—1845, Taf- 3- Mechanische Reproductionen zweier
Fragmente enthält der in Anm. 2 genannte Katalog (Taf. 8); Kupferstiche der zwanzig besterhaltenen Fragmente erschienen
in den von der Society of Antiquaries herausgegebenen Vetusta Monumenta I, London 1747, Taf. 67, 68. Diese Stiche
wurden wiederholt von Garrucci, Storia dell'arte cristiana III, tav. 124, 125, der damit zwei Zeichnungen des Peiresc nach
verlorenen Miniaturen vereinigte. Einige weitere Fragmente wurden abgebildet von Tikkanen, Die Genesismosaiken von San
Marco in Venedig, Acta Societatis Scientiarum Fennicae XVII, Helsingfors 1889.

4 Eine farbige Reproduction des Rotulus in Originalgrösse wird von der vaticanischen Bibliothek vorbereitet. Die
beste bisherige Abbildung bei Garrucci, a. a. O. III, tav. 157—167.

5 Vgl. unten S. 92, Anm. 3.

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