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1896

JUGEND

Nr 5

Die neuen Strahlen.

Von der neuen Entdeckung des Herrn
Professor Röntgen in Würzburg ist in jüng-
ster Zeit soviel gesagt und geschrieben wor-
den, dass wir uns an dieser Stelle wohl nicht
ausführlicher darüber zu verbreiten brau-
chen. Wir bieten unsern Lesern lieber so-
zusagen etwas Reelles!

Nämlich ein Originalphotogramm des
gelehrten Forschers, ein Photogramm, das

Aber er (Adolar heisst er) wusste doch
nicht, ob er um sie freien sollte. Er war ein
Gemüthsmensch und hielt auf Herz.

Hatte sie (Elvira heisst sie) ein solches?

Adolar machte sich die Entdeckung Pro-
fessor Röntgens zu Nutzen, um das zu er-
fahren.

Mit einem photographischen Apparat,
der ganz harmlos aussah, kam er zu seiner
Angebeteten, und bat sie, ihm eine Sitzung
für eine Amateuraufnahme zu gewähren.

Sie that es.

Er aber hatte X-Strahlen im Kasten.

Mit seinem Negativ stürzte er nach
Hause, rief das Bild hervor — und schrieb
seiner Geliebten äusserst höflich, aber kalt
einen Abschiedsbrief!

Den Strahlen, die durch Kleider u. s. w.
wie durch Butter hindurchdrangen, hatte
das Herz Elvirens Widerstand geleistet.

Klar und scharf hebt es sich auf der
Photographie ab.

Es ist von Stein. (Anscheinend Unters-
berger Marmor. D. Red.)

Adolar war voreiner unglücklichen Ehe
gerettet — Dank der Entdeckung des Herrn
Professor Röntgen.

In seiner Freude sandte er uns das
Photogramm, das hiernebenan abgebildet ist.
Wir haben eine Maske auf das Antlitz des
hartherzigen Mädchens retouchiren lassen.

Denn Diskretion ist Ehrensache.

«•v*

öd

Das Lied

vom englischen Löwen.

(N. d. Mel.: „Ein lustger Musikante“.)

Der Leu von Engellanden
Spazierte jüngst umher —

o tempora, o mores! —
Und schaute heissen Hungers,

Wo was zu fressen wär’, —

o tempora, o mores! —
Am liebsten schnell den Türken
Thät er hinunterwürken —

Wer weiss wie das geschah?
Juchheirassassassa!

Belehren kann uns jederzeit
Frau Grossmama!

Mit aufgesperrtem Rachen
Fiel er den Türken an, —

o tempora, o mores! —
Dass starr vor Angst und Schrecken
Der arme „alte Mann“ —

o tempora, o mores! —
Da kam ihm was dazwischen —

Er könnt’ ihn nicht erwischen —

Wer weiss wie das geschah?
Juchheirassassassa!

Belehren kann uns jederzeit
Frau Grossmama!

Da wandt’ er sich voll Aerger
Wohl übers weite Meer —

o tempora, o mores! —
Und glaubte, dass da drüben
Sich Niemand um ihn scheer’ —

o tempora, o mores! —

die unendliche, riesen-, fabel-, gespenster-
hafte und undefinirbare Bedeutung dieser
neu entdeckten Strahlen so recht überzeu-
gend darthut.

An diese photographische Aufnahme
knüpft sich ein kleiner Roman.

Einer von den Hörern des Würzburger
Gelehrten liebte ein Mädchen. Es war schön
— wunderschön; beinahe so schön, wie allen
verliebten jungen Männern ihre angebeteten
Mägdlein Vorkommen. Sie war reich.

8,
Register
Theodor Hermann Schmuz-Baudiß: Zeichnung ohne Titel
William Wauer: Das Lied vom englischen Löwen
 
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