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1897

JUGEND

Nr. 18

Sein Kopf war auf die Brust gesunken.
Es war ihm genau, als hätte er einen Schlag
in's Genick bekommen.

Sie spielte ruhig weiter. So oft sie falsch
griff, bat sie mit einem Blicke um Entschul-
digung und spielte dann gleich noch einmal
falsch.

Lr stand und hörte: Es war sein letztes
Lied, sein köochzeitslied, das sie da zerriß, zer-
fetzte, mißhandelte.

„Du spielst Klavier?" fragte er, bemüht,
sein Entsetzen bis zur Verwunderung herab-
zudämpfen.

„Ich habe Dir ja gesagt, daß ich nicht
gar so ungebildet bin," erwiderte sie mit Stolz,
indem sie ruhig weitersxielte. „Ich habe cs
gelernt, seit ich erfahren habe, daß Du Musiker
bist. — Die Frau eines Eomponisten muß doch
mindestens Klavier spielen können!"

Er stöhnte.

„Aber ich hielt es geheim," fuhr sie
lächelnd, im Sechsachteltakt fort. „Und heute
wollte ich Dich überraschen. Ich habe in
der Musikalienhandlung Dein letztes Lied ver-
langt. Es ist doch Dein allerletztes?" fragte
sie besorgt.

„Iawohl, jawohl, es ist mein letztes Lied I"
seufzte er.

Nun kam der Refrain; mit leiser Stimme,
der Begleitung um einen halben Tact vor-
aus, begann sie zu singen:

„Meine Liebe ist der Flügel,

Der inich zuin ....

„I«, was hast Du denn?" fragte sie er-
schrocken, indem sie die Rechte von den Tasten
hob und mit der Linken einen falschen Akkord
nachklingen ließ, der schauerlich im Raume
widerhallte.

„F", schrie er, „um lhimmelswillcn kl"

Und er zog ihr die Sand vom Klavier.

„Sei nicht bös'," sagte er. „sei nicht bös'

— ich bin Dir riesig dankbar — aber laß
mich einen Augenblick."

Sie machte ihm erstaunt Platz. Er griff
in die Tasten und tönte seinen wilden Schmerz
in einer Phantasie über das Thema seines
Liedes aus. Lr zitterte und Thränen glänz-
ten in seinem Auge. Mit einem verzweifel-
ten Griffe schloß er, so daß der prachtvolle
neue Flügel zitterte nnd die Fensterscheiben
leise klirrten. Dann griff er nach dem Noten-
blatt, zerriß es in Fetzen und aufschlnchzend
sank sein Panpt darüber.

„Mein Gott! Bist Du aber verrückt!"
sagte sie ralhlos, verletzt. „Weil ich statt k:
g genommen habe! — Ich bitte Dich, so etwas
kann doch Vorkommen!"

„Aber nein, nein, nein!" beschwichtigte
er sie, „Du weißt nicht, was mich so erregt!

— Ls ist nur eine Erinnerung an frühere
Zeiten. — 3m Gegentheil, mein liebes
Kind, es war ja sehr hübsch von Dir. und
ich bin Dir ja sehr dankbar für Sie Ucbcr-
raschung."

Er faßte sich ein wenig nnd zog sie an
sich. Und eine Thräne rollte in den Myrthen-
kranz.

„Du mußt bedenken", erklärte sie ihm eifrig,
„Dein Lied ist ja kolossal schwer. Und ick;
lerne ja erst drei Monate. Aber ich werde
riesig fleißig sein. Und mein Klavierlehrer
hat gesagt, wenn ich sieißig wäre, könnte ich
es sehr weit bringen, denn" — und mit kind-
lichem Stolz schaute sie zu ihm hinauf, in seine
verzweifelten Augen — „er sagt, ich hätte
Talent."

H. Mcycr-Liiisscl urichj.

t*)alpurcu60pfer

Von FranzEvers

„Hohoi! Velcda! Hüte den Opfcrstein! -
Ein Kitter naht!" ...

Die Kiefern standen dunkel,
Ein düstres Heer, und fingen das Echo auf,
Das weithin hallte durch die Maienlüfre,
Die foinmerlichen — und ein wind er-
wachte ..

„Hohsi, Veleda! Hüte deinen Herd!" . . .

Die priesterin fuhr auf aus leifem Beten —
Und zitterte... und fühlte jäh entweiht
Des Gottes heil'gen Hain durch fremdes

Leben,

Und sah mit starrem Blick Kitter und Koß
In ihres Opfers stille Stunde dringen ...

Der Eiserne schwang sich behend zur Erde
Und ließ den weißen Hengst im grünen

Keichthum

Des planes grasen, daß er wiehernd schnob.

Dann schritt er festen Fußes durch die wiese
U,it stolzem Haupt, die2lugen hell und groß,
Und lächelte... „Weib, Du bist weiß und

schön —

Fürchte Dich nicht! Ich freue inich an Dir."

Am Stein das Weib war wie ein fiebernd

Bild.

Erhob dieHand; es schimmerte sein Schwert
Im Sonnenlicht, das rorh gen2lbend glühte;
Und seine Küstung klirrte...

„Weib! sei mein!
Dein Gott ist mit mir! Du bist jung und

schön —

Und sollst das Leben fühlen, das mich treibt,
Und meinen Jubel und mein heißes Herz!"

2lm Stein das Weib erstarrte mehr und

mehr —

Und rief mit irrem Laut: „Vermessener!
Entweiche! und laß die Priesterin, die Dich

warnt!

Kein Fremdling darf dies hcil'ge Kund

betreten,

Denn Blitz und Flamme werden ihn ver-
nichten

2lus jenen lichte» Höh'n, wo Balder wohnt.
Er bricht Dein Schwert! — Schon hast Du
Dich verwirkt —

Entweiche Kitter!" —

Und die Priestcrin stand
Uitd bebte wie ein Füllen, das sich fürchtet.

„Mein Schwebt? Erschreckt Dich das? —
Ich brauch' es nicht!
Sieh her! ich komme ohne seinen Schutz!"
— Und blitzend ßog das Schwert ins Hobe

Gras. —

„Dein Gott ist mit mir! Siebst Du, wie er

leuchtet

Und diese frohe Erde purpurn färbt

-87
Register
Franz Evers: Walpurgisopfer
Hans Meyer-Cassel: Zierleiste
 
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