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Hans Christiansen {Paris).

Frühling

Personen:

Phaon, ein 19jähriger Jüngling.

Leander, etwas jünger, keck und beweglich.
Charis, ein 17jähriges Mädchen.

Sonnige Waldlichtung, zu der von rechts ein schmaler
Waldweg zwischen grossen, dichtbelaubten Bäumen
führt. Links Erlengebüsch, das nach dem Hintergründe
zu verläuft und einen Bach einsäumt. Aus der Ferne
das Plätschern eines kleinen Wasserfalls. Moos-
bewachsene Steine. Heitere, sonnige Waldstimmung.

Phaon und Leander treten auf;
sie kommen von rechts, vom Waldwege.

Phaon:

Nein, Freundchen, nein! Nun folg’ ich dir nicht

weiter!

Du machst dir, merk’ ich, einen guten Tag
Aus meiner Liebesnoth und Herzensqual.
Wenn du mich lieb hast, schwör, dass du nicht

lügst,

Dass Charis diesen Weg zum Walde nahm,
Dass ich, erröthend, hier sie treffen werde.
Leander (lachend):

Hier ist ein Fingerpaar, das andre hier,

Zum heiligen Schwur bereit. Genügt dir’s nicht,
Will ich mich auf die Erde vor dir werfen
Und mit gestrecktenZeh’n den Schwur bekräftigen!
Bei Kleons Weinberg traf ich deine Charis,

Ich bot ihr freundlich meinen Morgengruss
Und, freundlich lachend und die Zähnchen

weisend.

Gab sie den Gruss zurück; ja, lieber Phaon,
Sie wandte dreimal, schreitend, noch ihr

Köpfchen

Nach mir zurück, eh sie im Hain verschwand.^.
Phaon:

D’ran seh ich, wie du lügst!

Leander:

Sie sah zurück,

Zu schau’n, warum bei Castor Pollux fehle:
Nach mir das Köpfchen wendend, sucht’sie dich!
Phaon:

Ach, Possen! Sprich doch ernst, du Taugenichts!
Du folgtest ihr?

Leander:

Von weitem schlich ich nach,

Mich hinter Bäumen deckend, bis ich sah,
Dass sie auf diesen Pfad die Schritte lenkte.
Ich lief zurück, was mich die Füsse trugen;
Ich fand dich, Verse schmiedend, riss dich mit —
Nun schmähe mir noch einmal deinen Freund!
Phaon:

Leanderchen, du lieber, guter Junge!

Sei mir nicht gram!

(Leander umarmend, der sich, verschmitzt
lächelnd, ziert.)

Du weisst, ich bin verwirrt
Vor Liebe, vor verliebter, närrischer Liebe.
Mein Tag ist Charis, Charis meine Nacht.

Ein Blick von ihr erregt und sänftigt mich
Und lässt mich bis in’s tiefste Herz erbeben.
Sie öffnet mir des Nachts die müden Lider
Mit weichen Fingern, und ich seh sie leuchtend
Durch meine Träume wandeln; meine Brust
Ist voll von Liedern, die das Herz bedrängen.
Die Lippen stammeln nur den einen Namen,
Und, treff ich sie, verstummt mein armer Mund.
O, du bist glücklich: du bist keck und munter,
Die Mädchen lieben dich, weil du sie neckst,
Indess ich trüb in deinem Schatten wandle,

Verzweifelnd, wenn mich ihre Blicke treffen,
Lacht sie mich an, (seufzend) lacht sie vielleicht

mich aus!

Heut aber, hier, will ich den Weg ihr kreuzen,
Was mich bewegt im tiefsten Grund des Herzens
Will ich ihr sagen, und, erhört sie mich,
Dann sollst du sehn, wie heiter Phaon ist!
Leander:

So lass ich dich mit ihr allein, mein Lieber;
Und lebe wohl!

Phaon (erschrocken):

Was fällt dir ein, bleib hier!
Was sag ich ihr, wenn sie nun plötzlich kommt?
Womit entschuldig’ ich, dass ich ihr folgte?
Leander:

Was du ihr sagst? Ei, was dich so bewegt
Im tiefsten Grunde des verliebten Herzens,
Dein Tag ist Charis, Charis deine Nacht....
Phaon:

Geh nicht von mir, sag du es ihr für mich!
Leander:

Und hört sie mich, — küss’ ich sie auch für dich!
Schau,hier ist’s schön und schattig, lass uns sitzen!
(Sie setzen sich auf einen breiten, mit Moos über-
wachsenen Stein unter den alten Bäumen rechts.)

Phaon:

Sehr gern; ich bin ganz müde vor Erregung.
Sprich, sah sie huldreich aus an diesem Morgen?
(Leander macht zu allen Fragen übertriebene
Zustimmungsbewegungen.)

Denn, (warm) dass sie schön war, weiss ich

ohne dich!

War stolz gerümpft ihr Näs’chen ? Mild dieAugen ?
Die Brau’n geschwungen oder sanft verlaufend ?
Wie schritt sie hin ? Weisst du, sie hat zwei Arten
Dahinzuwandeln: einen stolzen Schritt,

Wie Juno wandelt in der Götter Kreise,

Und eine tänzelnd, neckisch liebe Art,

Der Saum des Kleids umschmeichelt hüpfend sie
In Wellenlinien, wie flinke Schlangen.
Leander:

Was du nicht sagst? (wie in höchster Bewunderung)
Zwei Arten Schritt hat sie!
(aufspringend, komisch imitirend)

Der eine stolze so; und einer neckisch,

(mit den Händen den Saum seines kurzen Gewandes
bewegend)

Der Saum des Kleids umschmeichelt hüpfend sie.
(wichtig) Mir scheint, heut ging sie in der zweiten

Gangart,

Da ich sie traf, (wieder sitzend) Die Augen lachten

schelmisch,

Das Näs’chen guckte lustig in die Welt,

Die Lippen roth, wie Kirschen auf dem Baume,
Das Fähnchen ihres Haars ..

Phaon (entzückt):

Des goldenen Haars!
Leander:

Es wippte, wie ein Vöglein mit dem Schweife.
So schwand sie, wie ein Traum, im grünen Wald,
Höchst appetitlich, sauber, schmuck und zierlich !
Phaon:

Wo aber, meinst du, wandelte sie hin?
Leander:

Wohin? Ei nun, wohin! Wer weiss, wohin!
Lustwandelnd ging sie hin, der Kühle nach.
Vielleicht zu einem Stelldichein. Wer weiss?
Phaon (aufspringend):

Mit wem? Du weisst etwas, du birgst es mir!

Leander (zwingt ihn wieder auf den Steift):
Erschrick nicht, Narr! Zu keinem Stelldichein!

Sie ging (nachdenkend), sie ging (sich an die Stirn
schlagend), natürlich weiss ich es,
(einem plötzlichen Einfälle folgend, rasch)

Sie ging in’s Bad zum kleinen Wasserfall!
Hörst du ihn plätschern ? Hab’ ich doch erfahren,
Dass dort des Morgens oft die Mädchen baden.
Kaum zwanzig Schritte ist’s von hier.

Phaon:

In’s Bad!

Sie badet zwanzig Schritte weit von hier!

(ist aufgesprungen und zwingt Leander vom Stein weg)
So komm, komm fort, komm eiligst fort nachFIaus!
Leander:

Wozu die Flucht!

Phaon:

Bedenk’s doch, Unglücksmensch,
Wenn sie vom Bade kommt und trifft uns hier!
Leander (ruhig):

Nichts Hübscheres, als Mädchen nach dem Bade!
Es ist, als ob von ihrem weissen Leibe
In leisen Wellen Kühlung käm’ und Frische;
Im Haare schimmern noch vergessne Perlen
Der klaren Flut; der Wangen Pfirsiche
Sind rot behaucht; der junge, kühle Busen
Bebt noch vom leichten Schauer, dass zu stürmisch
Die Wellen ihn umkost. Wozu die Flucht?
Phaon:

Leander, wepn sie hier uns überrascht!

Und glauben müsste, dass wir sie belauscht!
Die Erlenzweige auseinanderbiegend,

Dass wir, wie Faune, ihren Wuchs bestaunt!
Sie müsste in die Erde gleich versinken
Vor Scham und Zorn, und ich, ich sänk ihr nach!
Leander:

Das glaub ich gern!

Phaon:

Drum bin’ ich dich, komm weg!
Leander:

Ich nehme dich nicht ernst, mein lieber Phaon!
Spricht so ein Mensch, der heiss ein Mädchen

liebt?

(zeigend)

Hier badet Charis! Phaon, ihr Verehrer,
Steht hier! hier Messt der muntre Bach vorbei
Noch warm von ihrem Leib. Die Wellen

murmeln

Vor Glück und Jubel, weil sie ihn umschmeichelt.
Und Phaon, toll von Liebe, stürzt nicht hin,
Und netzt im heiligen Wasser Stirn und Mund,
Trinkt eifersüchtig nicht das Bächlein leer?
Ist das die Möglichkeit? Bist du aus Stein?
Du liebst sie nicht!

Phaon:

Du machst mich toll, Leander!
Leander:

Ach Phaon toll! Der Schläfer Phaon toll!

(Während des folgenden nähert er sich immer mehr dem
Gebüsch, das die Aussicht auf den Wasserfall verdeckt.)
Wär’ i c h verliebt in Charis, schwör* ich dir,
Mich hielte nichts zurück, ich müsst* sie sehn.
Wie oft, gesteh’s, sahst du im Traum sie — so,
Und sahst mit Freuden sie und süss erschauernd!
Mich hielte keine Macht der Welt zurück!

(Ist bei dem Gebüsch angelangt und will cs auseinander-
biegen.)

Phaon (ist auf ihn losgestürzt und hält ihn am Arme
zurück):

Zurück von hier, du bist mein Freund nicht mehr,
Wenn du es wagst!

(Während dieser Worte ist Charis den Waldweg herab-
gekommen und bleibt, von Leander erblickt, zwischen
den Bäumen, neugierig und in kindischem Vergnügen
stumme Zuschauerin.)

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Register
Hugo Salus: Frühling
Hans Christiansen: Zierleiste
 
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