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Justi, Carl
Miscellaneen aus drei Jahrhunderten spanischen Kunstlebens (Band 2) — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.8509#0327
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3i6

DIE SPANISCHE BRAUTFAHRT

Die drei fuhren nun zum Alcaläthor hinaus nach dem Prado und trafen
dort den Prinzen mit den beiden Gesandten. Beide stiegen gleichzeitig
aus und umarmten sich; Bristol machte den Dolmetscher. Philipp ent-
schuldigte zunächst diesen seltsamen Empfang eines so hohen Gastes; aber
da dieser selbst seiner Ankunft in Madrid den Charakter der Heimlichkeit
geben wollte, so habe er durch dieses Eingehen auf das Spiel des Prinzen
dessen Wunsche zu entsprechen geglaubt. Der wahre Empfang aber werde
alsbald folgen. Eine raffinirte Form spanischer Höflichkeit auf den Fall
anwendend, erklärte Philipp, er wolle die Sache so angesehen wissen, daß
fortan nicht er König von Spanien sei, sondern sein Gast. In der That
wurde am nächsten Sonntag (dem 26.) ein feierlicher Einzug Carls vom
Kloster S. Gerönimo aus, das hier vor dem Stadtthor lag, in Scene ge-
setzt; und dieser Einzug war eine genaue Copie des bei den Landes-
herren nach ihrem Regierungsantritt üblichen. Auch der Jubel der Menge
war derselbe. In den königlichen Gemächern des Klosters machten die
hohen Räthe dem Prinzen ihre Aufwartung. Beide Fürsten ritten unter
dem Baldachin, getragen von den zwölf Regidoren Madrids; der Prinz
zur Rechten des Königs, etwas voran, Olivares und Buckingham folgten;
ringsum der Adel in reicher Campagnatracht, 140 Reiter, darunter achtzehn
Granden. Die Häuser waren mit flandrischen Teppichen und den Bild-
nissen der früheren Könige und Königinnen geschmückt; auf sechs Bretter-
gerüsten spielten Comödianten; auf den Plätzen tanzte man die National-
tänze 1). Das Volk nannte ihn etwas ominös den neuen Hermenegild,
bestimmt, sein der Ketzerei verfallenes Königreich zum Glauben zurück-
zuführen. Sanct Hermenegild, der Sohn des letzten arianischen Gothen-
königs Leuvigild, war durch seine lothringische Gemahlin Ingundis zum
Katholicismus geführt worden und wurde auf Befehl seines Vaters 586
im Kerker enthauptet.

Darauf begab man sich nach dem Alcazar zur Vorstellung bei der
Königin. An der Thür spielte sich eine Scene ab, die selbst den Höflingen
etwas chinesisch vorzukommen schien. Der König und der Prinz traten
gleichzeitig auf die Thür des Palastes zu, dann aber schienen sie nicht
über die Schwelle kommen zu können. Endlich faßte Philipp seinen Gast
bei der Schulter und schob ihn hinein: »Ea, Senor, entre Vuestra Alte\ah
worauf dieser dieselbe Gewalttätigkeit an Seiner Majestät verübte und
Beide zugleich eintraten"). Die Königin und die Infantin sahen der Scene
hinter dem Fenster zu, dann aber ging jene allein in ihr Empfangszimmer,
wo sie dem Prinzen an der Thür entgegentrat, der ihre Verbeugung mit

») Abbildung bei KHEVENHILLER, An-
nal. Ferdin. X, 237.

2) VlLLAAMlL, Rubens diplomatico es-
paüol, S. 29. Der Prinz war etwas linkisch.
Als er KHEVENHILLER empfing und sich

dabei an einen Tisch lehnte, entfiel ihm
der Mantel, und als er ihn aufheben wollte,
der Hut, und so fort drei bis viermal.
An. Ferd. 276.
 
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