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https://doi.org/10.11588/diglit.15156#0313
Die Karikatur unter dem zweiten
Kaiserreich.
Einige Geschichtsschreiber der Kari--
katur behaupten, daß die Karikatur während
des zweiten Kaiserreichs auf einer entschie-
den tieferen Stufe stehe, als sie zur Zeit
des Iulikönigtums eingenommen hat. Die
Karikatur sei nicht nur zurllckgegangen,
sondern auch eine wesentlich andere gewor--
den, wo doch in dieser leichten Kunst vom
Iahre 1848 angefangen gegen die späteren
Iahre hin eine absolute Entwickelung hätte
eintreten sollen. Und die Arsache dieser
Erscheinung? Sie soll in der Korruption
der Kaiserzeit liegen. Es steht zu be-
sürchten, daß diese kaiserliche Korruption
der Kritik den gleichen schlechten Dienst
leisten könnte, wie der Ausdruck „Nahm-
torte" ihn dem Marquis in der Komödie
von Moliäre geleistet hat. Gewiß hat die Epoche des Kaiserreichs ihre Fehler, ihre
Gebrechen und ihre Laster. Iedoch der Geschichtsschreiber, der die Folgen aus ihren
Ursachen abzuleiten hat und der Persönlichkeit nur eine begrenzte Macht llber die
Ereignisse zuschreiben darf, wird eher geneigtsein anzunehmen, daß, wenn auch gewisse
Katastrophen aus der kaiserlichen Politik erwachsen sind, darum die Regierungssorm
an sich nicht notwendig einen Niedergang herbeigeführt haben muß. Es ist gewiß
unleugbar, daß die gewaltsame Art, mit welcher Louis Napolson die Macht an sich
gerissen hat, in Frankreich notwendig eine Perrschaft des Militarismus herbeifllhren
mußte, und daß es zwischen den Soldaten und den Getreuen des Kaiserreichs auch
wenig gewissenhafte Abenteurer gegeben hat. Man kann auch einräurnen, daß die
Zurückhaltung von den Staatsgeschäften, welche dem Kaisertum nicht nur von ein-
zelnen bedeutenden Persönlichkeiten, sondern auch vom ganzen Stab der orleanistischen
und republikanischen Parteien entgegengesetzt wurde, das Land um die Dienste
streng rechtlicher Männer gebracht hat, um jene der am Parlamentarismus Fest-
haltenden, nicht nlinder auch der edlen und reformatorischen Jntelligenzen, denen
das Volkswohl am Kerzen lag. Das Kaisertum, welches weder auf die konser-
vative noch auf die sortschrittliche Elite zählen konnte, mußte sich im Anfang die
menschlichen Organe von dorther holen, wo sie eben zu haben waren. Es standen
Nu8ic-dLlI.
24S. Karikatur von Cliarlcs Leandrc.
261
Kaiserreich.
Einige Geschichtsschreiber der Kari--
katur behaupten, daß die Karikatur während
des zweiten Kaiserreichs auf einer entschie-
den tieferen Stufe stehe, als sie zur Zeit
des Iulikönigtums eingenommen hat. Die
Karikatur sei nicht nur zurllckgegangen,
sondern auch eine wesentlich andere gewor--
den, wo doch in dieser leichten Kunst vom
Iahre 1848 angefangen gegen die späteren
Iahre hin eine absolute Entwickelung hätte
eintreten sollen. Und die Arsache dieser
Erscheinung? Sie soll in der Korruption
der Kaiserzeit liegen. Es steht zu be-
sürchten, daß diese kaiserliche Korruption
der Kritik den gleichen schlechten Dienst
leisten könnte, wie der Ausdruck „Nahm-
torte" ihn dem Marquis in der Komödie
von Moliäre geleistet hat. Gewiß hat die Epoche des Kaiserreichs ihre Fehler, ihre
Gebrechen und ihre Laster. Iedoch der Geschichtsschreiber, der die Folgen aus ihren
Ursachen abzuleiten hat und der Persönlichkeit nur eine begrenzte Macht llber die
Ereignisse zuschreiben darf, wird eher geneigtsein anzunehmen, daß, wenn auch gewisse
Katastrophen aus der kaiserlichen Politik erwachsen sind, darum die Regierungssorm
an sich nicht notwendig einen Niedergang herbeigeführt haben muß. Es ist gewiß
unleugbar, daß die gewaltsame Art, mit welcher Louis Napolson die Macht an sich
gerissen hat, in Frankreich notwendig eine Perrschaft des Militarismus herbeifllhren
mußte, und daß es zwischen den Soldaten und den Getreuen des Kaiserreichs auch
wenig gewissenhafte Abenteurer gegeben hat. Man kann auch einräurnen, daß die
Zurückhaltung von den Staatsgeschäften, welche dem Kaisertum nicht nur von ein-
zelnen bedeutenden Persönlichkeiten, sondern auch vom ganzen Stab der orleanistischen
und republikanischen Parteien entgegengesetzt wurde, das Land um die Dienste
streng rechtlicher Männer gebracht hat, um jene der am Parlamentarismus Fest-
haltenden, nicht nlinder auch der edlen und reformatorischen Jntelligenzen, denen
das Volkswohl am Kerzen lag. Das Kaisertum, welches weder auf die konser-
vative noch auf die sortschrittliche Elite zählen konnte, mußte sich im Anfang die
menschlichen Organe von dorther holen, wo sie eben zu haben waren. Es standen
Nu8ic-dLlI.
24S. Karikatur von Cliarlcs Leandrc.
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