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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Rembrandt als Erzieher
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Proelß, Johannes: Modelle, [7,1]: Novellenkranz ; der Zitherspieler von Zell
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0261

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Rembrandt als Lrz-eher — Modelle. Novellenkranz, von Johannes Proelß
Das Mitgeteilte dürfte genügen, um zu zeigen, daß wir hier doch wieder einmal ein Buch haben,
gedankenreich genug, um es ganz zu lesen, wozu es denn auch um so mehr empfohlen sein soll, als man gewiß
jeder Seite dieses schon in 3. Auflage vorliegenden Buches nützliche Anregungen entnehmen kann. Q kr.

Modelle
Novellenkranz, von Johannes proelß
VII?) Der Zitherspieler von Zell

nsre kleine Künstlergesellschaft, wie sie erst die ge-
meinsame Lust am Skizzieren auf der Rattenbnrg
zusammengesührt, dann das Unternehmen der Wechsel-
erzählungen über die Stellung der Modelle zu Kunst und
Künstlern enger vereinigt hatte, sie hat in jenen sonnigen
Spätsommertagen da oben im „untern" Innthal und
dessen Seitenthälern noch gar manchen fröhlichen Rasttag
gemeinsam verbracht. Und Hans Weinhold, der Schrift-
steller, der das alles mit erlebte, hat uns noch von
manch andrer Mvdellgeschichte treulich Bericht erstattet,
die sich den von uns zu Novellen gestalteten im leben-
digen Wechselspiel der Geister anreihte. Ja, wie gar
oft die Dinge, die unfern Geist lebhaft beschäftigen, in-
folge des Anteils, mit dem wir gerade dann ihre Spuren
auch in unsrer Umgebung beachten, in unser eigen Leben
hineinzuspielen und an der Gestaltung unsres Schicksals
mitzuwirken beginnen, so ging es auch hier. Auf die
natürlichste Weise und ohne sich dabei dessen bewußt zu
sein, wurden einige dieser Künstler und Künstlerinnen
schließlich selber zu Figuren einer Novelle, deren Dichter
das Leben war. Sie selber wurden zu Modellen für die
Erzählung von Abenteuern, mit welcher wir nun den Kranz
dieser Modellgeschichten beschließen. Daß auch in ihr das
in den früheren behandelte Thema in einer besonderen,
für die Leser noch neuen Beleuchtung erscheint, ist ein
Beweis niehr dafür, daß auch die Kunst des Erzählens
nicht nur das Leben zur Quelle hat, sondern kraft der
Wechselwirkung alles Geschehens wieder neues Leben
schafft, das des Erzählens wert ist.
Wie das alte Rattenberg am Fuße des Burghügels
einst ein blühender Handelsort, so war auch die Straße,
welche von altersher auf der rechten Seite des Inn von
Innsbruck über Hall und Brixlegg nach dem jetzt verein-
samten Städtlein führt, früher eine hochbedeutsame Handels-
straße für den Verkehr zwischen Venedig und den deut-
schen Handelsplätzen im Tonangebietc. Und während die
Ruine der Rattenburg von dem Schutze zeugt, den die
befestigte Stadt damals von seiten waffengeübter Mannen
genoß, liegen unweit von ihr, auf der andern Seite von
Brixlegg, am Bergesabhang andre Burgen, deren Herren
ihrerseits vermutlich an dem Handelsverkehr auf der
Straße das Interesse der Stegreifpoeten des Raubritter-
tums nahmen. Diese verwitterten Schlösser — Matzen,
Lichtwer und Kropfsberg — sind noch recht stattlich an-
zuschaucn und ihre grauen Türme und Mauern beleben
stimmungsvoll das malerisch zerklüftete, vielfach bewaldete
Vorgelände der Alpbacher und Reicher Berge. Einst
Zeugen jener ernsteren, schwerfälligen Art des Verkehrs
mit vierspännigen Saumwagen und schwergewappneten
Geleitsmannen, bilden sie jetzt einen poetischen Kontrast

Nachdruck verboten
zu dem sorglos heitern Treiben der Sommergäste, die
von dem beliebten Rastort Brixlegg aus auf der alten
Straße ihren Weg nehmen zu dem nahen Eingang ins
wildbachdurchrauschle, von Zitherklang und Jodelsang
durchtönte Thal des Ziller, in das auch Professor Schultz
und die Seinen noch einen mehrtägigen Ausflug vor-
hatten.
In der Nachbarschaft dieser alten Schlösser hat ein
bekannter deutscher Großindustrieller sich eine Villa er-
bauen und daneben mit Zuhilfenahme der vorhandenen
Wald- und Felspartien einen herrlichen Park anlegen
lassen, mit der Aussicht ans das gegenüberliegende, maje-
stätisch gegipfelte Sonnwendjoch und dem Schlosse Matzen
zum Hintergrund. Bei dem ausgeprägten Kunstsinn
dieses vermögenden Mannes, der alljahrs seinen Sommer-
ausenthalt hier verbringt, bei den vielfachen Beziehungen
desselben zu den Kreisen der Künstler und Schriftsteller,
hatte es nicht fehlen können, daß er mit unfern Freunden
in Verkehr getreten war und so wurde er auch Teil-
nehmer eines abendlichen Beisammenseins, an welchem
der Kranz der Modellgeschichten wieder um einige Er-
rinnerungsblüten bereichert ward. Auf sein Fragen nach
dem Inhalt der früheren Erzählungen wurde ihm solcher
Bescheid, daß er animiert ausrief: „Ei, das wäre ja ein
allerliebstes Motiv für das Gartenfest, das meine Frau
ganz heimlich vorbereitet. Jetzt muß es heraus! Wir
erwarten nächste Woche Defreggers Besuch. Sie wissen,
er macht öfters bei uns Station, wenn er von München
in die Thäler seiner engeren Heimat reist. Der hübsche
Sitz, oben auf dem Hügel, den wir nach ihm benannt
haben, soll dabei eingeweiht werden. Die nötigen Lam-
pions und das bengalische Feuer für die Beleuchtung des
Parkes hat meine Frau schon in aller Stille kommen
lassen. Wie wär's, wenn Sie alle kostümiert kämen; jeder
von ihnen als eins der Modelle, die in ihren Geschichten
eine Rolle gespielt. Aber ganz wie Sie wollen; es ist
nur so meine Idee. Jedenfalls würden Fräulein Schultz
als braune Burgei und Sie, gnädige Frau, als Carmi-
nella ganz ausgezeichnet in ihre Kostüme paffen. Nicht
wahr, meine Herrn! Noch eins will ich verraten. Der
Professor schrieb uns, er würde einen jungen Landsmann
mitbringen, der aus derselben Gegend stamme wie er und,
nachdem er ihm längere Zeit als Modell gedient, zu
seiner freudigen Überraschung neuerdings ein ausgesprochenes
Talent für die Kunst offenbart habe. Sie kämen also
als Modelle in ganz „echte" Gesellschaft!" — Der
wackere Kunstfreund brauchte nicht lange zuzureden: die
Herren versprachen erfreut ihre Teilnahme und die Damen
erklärten sich bereit, als „Carminella" und „braune
Burgei" zu kommen, nur müsse mau — bemerkte Cilli


°) VI. in den drei vorhergehenden Heften.
 
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