Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Hausmann, S.: Der Kalender und die bildende Kunst, [1]: eine Neujahrsbetrachtung
DOI Artikel:
Grasberger, Hans Nepomuk: Streich um Streich, [1]: Künstlernovelle
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0140

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Aalender und die bildende Annst. Don S. Daus mann — Streich um Streich. Aünstlernovelle

,02

lag die Sache für die breiten Volksschichten, denen die Kunst des Lesens unbekannt war. Für diese nun entwickelte
sich bezüglich des Kalenderwesens eine eigentümliche Bildersprache, die sich ohne jegliche gelehrte Vorbildung
verstehen lies;. Diese Bilderkalender wurden auf Holz- oder Metalltafeln durch Eingravierung von Figuren
hergestellt, oder auch auf Papier- und Pergamentblättern ausgezeichnet (von letzteren haben sich erklärlicher-
weise nur wenige erhalten, so einige sehr interessante Stücke im germanischen Museum zu Nürnberg), in der
Weise, das; für jeden Monat eine Leiste gezogen war, die durch Kerbeinschnitte in so viele Teile geteilt wurde,
als der einzelne Monat Tage zählte. An denjenigen Einschnitten, die den kirchlichen Festtagen entsprachen,
waren dann Figuren beigefügt, die in mehr oder minder entwickelter Symbolik ans diese Feste hinwiesen. So
finden wir z. B. neben rein konventionellen Zeichen, deren Verständnis völlig auf der Tradition beruhte, die
einem Bischof geweihten Tage durch eine Bischofsmütze bezeichnet, den Laurentinstag kennzeichnet ein Rost, den
Tag des hl. Vitus ein Slkessel. Später — aber doch schon im 14. Jahrhundert — finden sich auch förmliche
Genrebilder auf diesen Bauernkalendern: so zeigt uns z. B. der 20. Januar, der Tag des Märtyrers
Sebastian, das Bild eines von Pfeilen durchbohrten Mannes, der 23. April — Sankt Georg —- weist einen
Ritter auf, der hoch zu Rosse sitzt und einem unter dem Pferde sich windenden Lindwurm den Speer in den
Rachen stößt. Sicherlich waren diese Bauernkalender für Tausende und Abertausende die einzigen Erzeugnisse
der bildenden Künste, bei denen nicht der streng religiöse Charakter so ausschließlich vorherrschte, daß von einem
künstlerischen Eindruck überhaupt die Rede sein kann. Es mag dabei noch erwähnt werden, das; nach Ein-
führung der Buchdruckerkunst diese Bilderkalender, unter vollständiger Beibehaltung der alten, eben geschilderten
Form, durch Buchdruck und Holzschnitt vervielfältigt wurden (solche Einblätter aus dem 16. Jahrhundert sind
noch ziemlich zahlreich vorhanden), und daß sie auch heutzutage noch immer neu aufgelegt werden, so meines
Wissens besonders in Steiermark; nur die äußere Ausstattung hat sich insofern etwas geändert, als auch hier
die Form des kleinen handlichen Büchleins an die Stelle des großen Einblattes getreten ist, eine Änderung
übrigens, die sich bereits zu Anfang des 17. Jahrhunderts vollzogen hatte.

Nur nebenbei mag hier auch daran noch erinnert werden, daß die Vorliebe der mittelalterlichen Kunst
für die mit dem Kalender zusammenhängenden Motive so weil gegangen ist, daß dieselben auch bei dem Skulp-
tnrenschmuck der Dome vielfältige Anwendung gesunden haben. So berichtet Piper in seiner Mythologie der
christlichen Kunst von einem Reliquienkästchen aus Elfenbein, das aus dem zwölften Jahrhundert stammt, und
das an den Seiten in zwölf Nischen die Apostel anfweist, während über ihnen in den Lünetten die Tierkreis-
zeichen angebracht sind: der Vergleich der zwölf Apostel mir den zwölf Monaten des Jahres ist ein Gedanke,
der bereits dem christlichen Altertum eigen war. Außerdem entspricht es durchaus dem mittelalterlichen Gedanken-
kreise, wenn die Beschäftigungen des täglichen Lebens in Beziehung gesetzt werden zu der höheren Bestimmung
des Menschen, und es darf uns deshalb durchaus nicht überraschen, wenn vom zehnten Jahrhundert ab nicht
nur die Tierkreiszeichen, sondern auch die eigentlichen Monatsbilder vielfach an den Portalen der mittelalter-
lichen Tome uns entgegcntreten; es mag als Beispiel nur das südliche Portal an der Westfassade des Straß-
burger Münsters angeführt werden, wo unter den Statuen der zwölf klugen und thörichten Jungfrauen an den
beiden Seiten der im Winkel vorspriugenden Postamente die Ticrkreiszeichen und Szenen ans dem Leben des
Landmannes erscheinen. Wenn dabei schon die Raumverhältnisse es mit sich bringen, daß es sich nicht um
sigurenreiche Bilder handeln kann, so finden sich immerhin manche hübsche sinnige Züge in diesen plastischen
Darstellungen. So zeigt namentlich der Januar gelegentlich eine sehr interessante Verbindung der antiken Auf-
fassung mit der Symbolik der mittelalterlichen Anschauung: so zum Beispiel, wenn beim Januar der doppel-
gesichtige Janus als Personifikation des Monats bei Tische sitzt und mit dem einen, jugendlich heiteren Gesichte
nach der reichbesetzten Seite der Tafel schaut, während der Blick des andern, greisenhaft trübseligen Antlitzes

ans geleerte Teller füllt. ^

(Der «chluß im nachflen Hefte)

Streich um Streich

Aünstlernovelle. Von Hans Grasberger

gi>ichts natürlicher, als daß die beiden mit Malkasten
r» und Skizzenbüchern nach Weißenkirchen wandern.

Landschafter und Tiermaler brauchen einander nicht
im Wege zn stehen, zumal wenn der crstere Stimmungen,
von Staffage möglichst unbehelligten Stimmungen nach-
hängt und der letztere am liebsten schicksalschwere Rinder,
gedankliche Ackergäule, die Paschawirtschaft eines Haus-
hahns n. dgl. malt, also seine Erwählten auf den Kothurn
stellt und rings herum nicht viel Wiese, Wald, Wasser

oder Gcfels notig hat. — Gelegentlich können sie einander
sogar ergänzen.

Suchen sie nämlich den lauernden Fuchs, das scheue
Reh oder die flüchtige Gemse auf, so muß der eine sicher-
lich die stimmungsvolle Umgebung und der andre das
belebende Wild mit in den Kauf nehmen.

Auch auf die Enten- oder Schnepfenjagd können sic
nicht leicht gesondert gehen.

Und sie vertragen sich gut, schon von der Akademie-
 
Annotationen