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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Heilbut, Emil: Eine Kunstkritik in verteilten Rollen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0375

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2q;

Line Kunstkritik in verteilten koken

von lberman Sellerich

Nus Paul Lhuinanns Skizzenluich

auf besser geschultem Auge beruht, auch dcu einer liebens-
würdigen Sprache ausweist. Seit dem vorigen Jahr-
hundert werden die Salonberichte in Frankreich von den
geachtetsten Schriftstellern geschrieben, die ^salonnisrs"
zu sein für eine Beschäftigung halten, die ehrenvoll ist.
Wir finden Salonberichte von Tiderot, von Alfred
de Müsset, von unzähligen andern; bei uns steht diesen
glänzenden Leistungen Heines Bericht über Salons aus
den dreißiger Jahren gegenüber als gleichwertig, doch
als ein vereinzelter Fall.

Haben nun glänzende Schriftsteller Anwartschaft,
gelesen und gewürdigt zu werden, auch wenn man die
Freude an dem, was sie schreiben, auf das beschränken
muß, wie sie es schreiben, so ist es überhaupt ein Re-
sultat reiflicheren Nachdenkens,
daß man die Kritik, um sie zu
würdigen, zerlegen muß. Mau
wird, hat man viele gelesen,
ihren Wert, zumal wenn sie
von Malerei handeln, individuell
gliedern, d. h. sagen, das urteilt
ein Kritiker, der ans der und
der Grundlage steht; hiervon
wird man seine Ansicht ableiten,
mit Differenzierungen ableiten,
und zwar nach den Grundlagen,

die man selbst gefunden, nach der Gefühlsdisposition, die
wir hegen, nach dem kritischen Gesichtspunkt, zu dem wir
gebildet worden sind, nach dem Tone der Zeit, welche wir
repräsentieren und die vielleicht zu der Epoche des Kritikers,
wenn auch nur im Gegensätze der Dekade, immerhin in
einem Gegensätze steht. Sv wirk, ein Kritiker, auch wenn
man nicht was er urteilt annimmt, als Übermittler von
Materialien und als Anreger unsres Nachsinnens immer-
hin, doch ist es originell, wenn der Kritiker den Spieß
umdreht und an sich die Prozeduren schon vorzunehmen
eilt, die von uns mit seinem Feuilleton vorgenommen
werden, für dessen Aussprüche wir uns die Motive
suchen. Dieses Verfahren hat Herr T. von Wyzcwa
in einer Plauderei angewendet, welche er, unter dem
Vorwände einer Rezension, dem neueröffneten Salon
der Ehamps Elysöes gewidmet hat.

Traurig, wie man alle Tinge am Ende des Jahr-
hunderts verrichtet, setzt er sich am Morgen der Firniffung
in Bewegung, um den Salon zu sehen. Er ist nicht
ganz ohne Hoffnung; ja, in einem Geiste des Wider-
spruchs zum allgemeinen Urteil setzt bei ihm eine gewisse
Sympathie für den Salon der Ehamps Elchs«'es ein, just
weil alle Welt mehr für den Salon Meissonier inkliniert;
indessen auf dem Weg vom Park Monceau zu den
Ehamps Elysöes hinschreitend, wird er von einigen
schwarzen Vorahnungen ergriffen. Er begreift, daß,
wenn sein Herz seit dem
Aufkommen des zweiten
Salon gewechselt Hütte, seine
Augen sich nicht hatten ver-
ändern können, daß der
Abfall der Künstler Herrn
Bouguerean nicht größer
gemacht, und daß Herr
Hcnner nicht daran denke,
in seinen Nymphen um
deswegen mehr zu variieren,
weil er in seiner Nachbar-
schaft nicht mehr die glän-
zenden Nachlässigkeiten von
Herrn Carolus Turan «en-
trisst . . . Tie Malerei
dieser Herren, dieser alten
Herren, Wiedersehen, hieß
das nicht die neue Sym-
pathie für sie, in welcher
Herr von Wyzewa ein so
naives Glück empfand, wie-
der in eine Gefahr bringen?

Er muß sich auch sagen,
daß ihm der jungen Leute,
der aufkommenden Gene-
ration Lriginalitätssncht
entsetzlich wird; er stellt sich
vor, wie sie, wenn sie mit
ihrem ersten Bilde durch
dessen Exzentrizität Erfolg
gehabt, von selber jedes
Jahr hiervon eine andre

Aus Paul Thumanns
SkiWnbuch

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Nus Thumanns Skinenbuch
 
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