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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Feldmann, Siegmund: Die Pariser Salons, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0392

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Die Pariser SalonF.

von Siegln. Feldmann (Paris).

II.*) Auf dem Marsfelde.

a wären wir also im „Salon der Individualitäten".
Ich weiß nicht mehr, wer ihm diesen Namen ge-
geben hat, aber er ist eine Pauschalverdächtigung und

Zur Zeit der Reise, von F. Lequesne.

klingt falsch. Wenn man durchaus einen Vergleich mit
dem Salon im Jndustriepalast ziehen will — und darauf
läuft diese Bezeichnung hinaus — dann mag man sagen,
daß in diesem die Routine, auf dem Marsfelde jedoch die
Mode vorherrscht. Die Routine ist freilich einförmig und
wandelt in ausgetretenen Geleisen; die Mode hingegen

») I. siehe Heft 19.

strebt nach dem Neuen, nach dem Wechsel, und sie ist
mannigfaltig, weil sie sich immer übertrumpfen niuß und
weil die Laune, der sie dient, selber mannigfaltig ist.
Die Mode verlangt immer „etwas anderes". Daß aber
jeder, der etwas anderes malt, gleich eine Individualität
ist, wäre eine kühne Behauptung. Zumeist besteht das
„Andere" lediglich in einem koloristischen Kniff oder in
einer technischen Absonderlichkeit, in der Faktur. Die
Faktur ist unschätzbar als Mittel, sie ist verächtlich als
Zweck, und zum Zweck haben sie in letzter Zeit viele
gemacht, die nicht ahn n, daß alle Kunst ohne Seele zum
Handwerk herabsinkt, zu einem nutzlosen Handwerk, das
von der Knopfdrechslerei und der Pfeifenschneiderei be-
schämt wird.

Hinter jedem Bilde steht der Mensch, der es ge-
schaffen, und dessen Atem müssen wir verspüren, dessen
Herzschlag müssen wir vernehmen, ob er nun Realist oder
Idealist ist, ob seine Anschauung an dem Alltäglichen
seines Daseins haftet oder mit dem Fernblick der Phan-
tasie in begrabene Zeiten und Welten dringt. Wem die
Kunst ein Glaube ist, der wird im Künstler die Persön-
lichkeit suchen und ihn an seinem Traume oder vielmehr
daran messen, wie »ah er seinem Traum gekommen ist.

Stecken wir also die Laterne des Diogenes an und
suchen wir Menschen. Der erste, der uns entgegentritt,
ist Puvis de Chavannes, eher eine Kultur als eine
Natur, aber gerade darum doppelt wertvoll als Beweis
für die Macht des Persönlichen in der Kunst. An ihm
geht unser Kennerlatein verloren; denn er wendet von
allen Kunstmittelu just soviel an, als erforderlich ist, seine
Emotion mitzuteilen. Die archaistische Gebundenheit seiner
Figuren ist nur der Ausdruck seines Bestrebens, jede
Erscheinung auf ihre ruhigsten und typischen Linien zurück-
zuführen, nicht eine Altertümelei, die seinem Geiste wider-
spräche. In ihm ist kein mystischer Zug, in ihm ist nur
Leben, Freiheit und Mitleid, und darum gestaltet sich jedes
seiner Werke zu einem Feste voll sanfter Regung für den
Beschauer. Allein diescsmal hat er uns eine schwere Ent-
täuschung bereitet. Seine für einen Saal des Rathauses
bestimmte Komposition: „Victor Hugo huldigt der Stadt
Paris" ist leer und schwunglos, eine müde Allegorie,
deren Held namentlich durch unedle Bildung unangenehm
berührt. Der Vorwurf lag dem Künstler augenscheinlich
nicht, dessen Talent auf die höchste Einfachheit abzielt,
während Victor Hugo der Meister der Wortseuerwerke,
der pathetischen Posaunenstöße und ungeheuren Metapher»
ist. Etwas von dieseni Auffluge des Dichters müßte das
Bild beschwingen, das seiner Verherrlichung gewidmet ist;
die giottesken Engel, die ihn begleiten, hätte er als seine
Genien nie anerkannt. Zum Teile mag der ungenügende
Eindruck von der Abwesenheit der Farbe herrühren. Die
Arbeit ist nur ein schwach aufgehöhter Karton und es
fehlt der landschaftliche Hintergrund mit den schimmernden
Nebeln und weiten Horizonten, in denen sich Puvis de
Chavannes als echter Poet zu offenbaren pflegt.

Ein echter Poet ist ferner Eugen Carriere und
auch als Maler nicht der erste Beste; aber daß er der
Erste und der Beste sein soll, wie einige Schwärmer
wollen, ist damit noch nicht erwiesen. Carriere besitzt
 
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