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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schmidkunz, Hans: Wechselwirkungen zwischen Litteratur und bildender Kunst um die Wende des vorigen Jahrhunderts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0151

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Drr verlorene Sohn, von Georg Graf von Rosen.

Wechselwirkungen zwischen Litteracur und bildender Aunst
um die Wende üeF vorigen Jahrhunderts.

von Ol-. Dans Zchmidkunz.

(Lchwp auH Äeh 7.) Nachdruck verboten.

t^ilsn der Theorie waren unsere großen Dichter allerdings mehr als viele ihrer Zeitgenossen bemüht, den
Grundgedanken: „die Kunst sür die Kunst", zu vertreten. So Lessing im „Laokoon" Stelle für Stelle;
so Schiller in seinen späteren Kunstschriften vornehmlich durch Losreißung der Kunst von der Moral, der er
früher selbst (1784) die Schaubühne zugeordnet hatte. In der Praxis freilich brach oft genug anderes durch.
Aber nun auch das entgegengesetzte Extrem, dessen Gefahr in jener theoretisch vertretenen Freiheit und Selbst-
genügsamkeit der Kunst liegt. Sie wollten in gutbürgerlicher optimistischer Gemütlichkeit, die leicht spielen
hatte, nicht viel von dem Werte der Not für sie wissen und destomehr von entbehrlichem Vergnügen, Heiter-
keit, Spiel. Die sozialgeschichtlichen und philosophischen Gründe dieser bekannten Anschauungen sind nicht
schwer auszufinden. Eine künftige Bearbeitung unseres Themas wird jedoch gut thun, nachzuforschen, ob nicht
auch kunstgeschichtliche Gründe sich an jene anschließen und zum Teil ihre Wirksamkeit vermitteln. Ich sehe
nun einmal durch diese Lehren das selige Muschelwerk des Rokoko, seine schmückende, zierende, seine Eigenart
des Rahmenwerkes durchschimmern; und aus seinen zierlichen lebensnotspottenden Linien sehe ich den Begriff
der „Schönheit" zusammengesetzt, der unsere Klassiker beherrschte, der uns epigonisch bis heute in den Ohren
tönt, der noch immer den herrlichen Syllogismus treibt: „Die Kunst hat das Schöne darzustellen, das Gemeine
ist nicht schön — er§o". Bis endlich die Muschel zerbrochen vor unseren Füßen liegt, bis die Zertrümmerung
der „guten", d. h. für die Glücklichen guten, alten Zeit durch die französische Revolution sich allmählich voll-
endet, bis aus den Rokokolinien Schlangen geworden sind, die den Künstler und seine Kinder umstricken, daß
er, sich aufbäumend, sie wegpreßt und erwürgt. — Unsere Klassiker sahen in der bildenden Kunst ihrer Zeit
ein Schönes vor sich, das ihnen den Begriff einer Schönheit im engeren Sinn eingab. Wie sich dort die
früher so stämmigen und festen, ja derben Umrisse schlängeln, so thut es hier die Theorie. Nur daß man
hier den geschichtlichen Übergang nicht merkte, das zeitlich Bedingte, wie fast immer, als zeitlos Unbedingtes
faßte. Hogarths Schlangenlinie, die Parodie darauf, wurde in der Hauptsache abgelehnt, aber nicht etwa,
weil man die Parodie gemerkt hätte. Die Anmut genügt, um die Schönheit auszufüllen. Goethe zeigt in
seinem „Laokoon", wie der Gegenstand „für das Auge schön, d. h. anmutig wird". Daneben kennt er aller-
es

Die Kunst für Alle XI, 8. 15. Januar 1897.
 
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