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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Becker, Benno: Festspiel zur Einweihung des Münchener Künstlerhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0364

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FESTSPIEL

ZUR EINWEIHUNG DES MÜNCHENER KÜNSTLERHAUSES

VON BENNO BECKER

Die Bühne stellt einen Garten mit geschnittenen Hecken vor. Marmorbänke. Eine leise Musik, die in einen Frauenchor
übergeht. Bald nach Beginn des Frauenchors betritt der Meister, der Musik lauschend, die Bühne. Ihm folgen ein wenig
später die Künstler, Nachdem der Frauenchor geendet, betreten die Frauen die Bühne. Ihnen geht entgegen der Meister.

Meister :

Habt Dank, habt tausend Dank, ihr holden Frauen,

Die ihr mit Wehmut unser Herz bethaut,

Und es zugleich mit süssem Ahnen labt!

Dem prächt'gen Wunder, das in stolzem Schweigen

Uns hier erwuchs, verliehet ihr die Sprache

Und gebt dem Fest, das heut' uns eint, die Weihe.

O mög' es uns ein gutes Zeichen sein,

Dass edler Frauen Lied zuerst hier klang!

Während der Worte des Meisters ist in Sinnen verloren der
Jüngling erschienen.

jüngling (für sich):

Der Sang verstummte. War es nur ein Traum?
War auch ein Traum nur, was mein Auge sah?
Und wird nun alles in das Nichts zerstieben,
Dies Haus, das ich durchirrt, die weiten Hallen,
Der hohe Saal, in dem ich staunend steh'?

Meister :

Es ist kein Traum!

Jüngling :

Du, Meister, bist's mit deinen Kunstgenossen,
Die ihr dies Haus erbaut!

Meister :
Sei uns willkommen!

Jüngling :

Willkommen!

Kaum wag' ich dein Willkommen« anzunehmen,
Denn — ich gestehe dir — nur widerwillig
Kam ich hierher — und bin nun — fast — besiegt.
Wie dürfte sich mein armes Wort vermessen,
Das Werk zu rühmen, das mich so entzückt!
Noch schwelgt mein Auge in der kühnen Pracht
Und dennoch......

Meister :

Dich quält ein Dennoch? sag' es frei heraus!

Jüngling:
Wenn du's gebietest!
Ich finde keine Antwort auf die Frage,
Warum? warum dies alles?

Meister:

Und hast doch Antwort eben selbst gegeben:
Weil es dein Auge mit Entzücken füllt!

Jüngling :

Wohl sagt' ich das — und sagt' es, weil ich's
fühlte.

Doch welch ein inniger Entzücken noch
Würd' mich durchzittern, sah in diesem Bau
Ich Zeichen meiner Zeit.
Der Zeit, in der ich atme; schaffe, ringe,
Da neue Formen aus dem Dunkel steigend

Die Phantasie gestaltenreich befruchten.

Soll ich nach rückwärts ewig schau'n? ich spüre

Ein andrer mich, als jene Alten waren,

Von denen die Jahrhunderte mich scheiden.

Ich will ein Eigner sein und neue Pfade

Mir suchen!

Hier find' ich — mit erlesenem Geschmack
Und mit Genie die Formenwelt belebt,
Die müde durch Jahrhunderte sich schleppt
Und im Ersterben liegt.

Meister:

Mein junger Freund, such' nur den eignen Weg!

Und wenn du ihn gefunden, führe uns;

Wir alle wollen deinem Winke folgen.

Ach ! einstens hat das gleiche Ungestüm,

Das deine Jugend aufwühlt, uns erregt

Und in die Ferne sehnend fortgetrieben!

Doch alle Spuren deuteten zurück

Auf längst gebahnte Pfade!

Wie der Magnet nach Norden stetig weist,

So strebt des Künstlers Sinn zur frühen Kunst.

Was ist ein Menschenleben? ein Jahrtausend,

Was gilt es in dem Riesenmeer der Zeiten?

Die gleichen Wonnen und die gleichen Schmerzen,

Die unsre Väter rührten, rühren uns

Und machen ihre Werke uns vertraut,

Die sie in Schmerz und Wonne einst geboren.

Denn unzerreissbar ist der goldne Faden,

Der aus der Kindheit unseres Geschlechts

Sich bis zu diesem Tag herüberspinnt.

Am Webstuhl mühet sich die ganze Menschheit,

Das duftige Gewebe fortzusetzen;

Kein neues Stück ward jemals noch begonnen,

Doch, wen ein Gott mit Phantasie begabt,

Der fügt ein neues, holdes Muster ein.

Jüngling :
Und wenn ich dir auch dieses gelten Hesse,
So bleibt doch mein Warum? warum dies Haus?
Nicht nur im engen Tempel wohnt der Gott,
Das ganze Weltall füllt sein lichter Odem !
Dort draussen sind die Wurzeln meiner Kraft;
Für jene Menschen draussen schaffe ich
Und weiss mir keinen bessern Lohn, als sie
Der Sorge ihres Alltags zu entreissen
Und zu erquicken aus dem klaren Quell
Der Kunst! Mit ihnen schlägt mein pochend Herz
Und lässt sich nicht in diese Mauern zwingen,
In die kein Laut des grossen Lebens dringt.

Meister:

O könnt' ich dir den frommen Wahn erhalten!
Doch einmal naht auch dir die finstre Stunde,
Da er zusammenbricht, da schnöder Undank
Und Unverstand dir deine Treue lohnt.
Denn klein nur ist der Auserwählten Zahl,
Die froh den strengen Ernst der Kunst begreift;
Die Menge will nur flücht'ge Tändelei

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