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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 2.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.8035#0029
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29 -4.

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München, den ^5. April 1895.

Nr. 4.

Bczug dcr „Zeirschrifr" sammc der ^'Runftgewerblichcn Rundschau": Durch den
Buchbandel, die s)ost oder die Geschäftsstelle M. Schorß verlag, München, Röniginstr. 55,
Mk. ^6 p. a.: die Mitglieder des Bayer. Runstgewerbe-Vereins (Iahresbeitrag Mk.)
erhalten die Zeitschrift sammt Aunstgewerbliche Rundschau unentgeltlich. — Die ^Zeit-
schrifr" erscheint jährlich in 12 Monatsheften; Reklamationen von Mitgliedern wegen
ausgebliebener Nunnnern können nur dann auf Berücksichtigung Anspruch machen,

wenn dieselben spätestens vierzehn ^age nach Erscheinen dcr folgenden ^lummer
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.

HerauSgcbcr- Bayer. R»nstgewerbe-v-rein. (pfandhausstratze 7). — .

praf. k. Gmelin, (kuisenstrafie (8). - Druch Rnorr hirthi iämmlliche ,n Munchen
Dcrlag, m. Schorß, Münchcn, Röniginstraße 55.


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Mittheilungen über -en jetzigen

'tanö W ZiipM-Ziidüstrie in DmtWM in>S Äksterreich-Angarii

von prof. Or. p. §. Krcll und Maler M. Kiochstättcr.

er Platz, der gegenwärtig in Deutschland den größten Tapeten-
handel besitzt, ist Berlin. N)ie sehr letzteres in dieser Beziehung
Wien überlegen ist, zeigt sich darin, daß es in Berlin
mehr Tapetenhandlungen gibt, als in sämmtlichen Städten
non ganz Gesterreich-Ungarn zusaminen. Die schönsten Lrzeugnisse
der Tapetenfabrikation von Deutschland, Lngland, Frankrcich und
Amerika kommen anf dem Markte von Berlin zur Auslage. Berlin
ist auch maßgebend lsinsichtlich der Auswahl, welche von der Mode
getrosfcn wird, aber nur für Norddeutschland.

Jn der Fabrikation der Tapeten steht Berlin in Dcutschland
nicht an erster Stelle. Ls gibt dort eine einzige renommirte Fabrik von
künstlerischer Bedentung, „Lieck und lseider". Dieselbe leistet lservor-
ragendes in großen dckorativen Stilmustern und versucht sich nicht ohne
Geschick in dem neuen englischen Genre. von den übrigen Berliner
Fabriken wird dagegen fast ausschließlich der Massenconsum kultivirt.

Die charakteristischen Ligenthümlichkeiten des in Berlin herrschenden
Tapetengeschmackes mögen aus folgenden Angabcn cntnommen werden:
Für die ksausslur werden gerue gothische und Renaissance-Muster (mit
Granatapsclmotiv) verwendet. Für don Salon pflegt man große,
leicht gehaltene Stilmuster, welche stofflich behandelt sind, anszuwählen.
Dieselben, meist dcr Barockzcit entnommen, zeigcn ein größeres Mittcl-
motiv mit symmetrischer Umrahmung. Auch ähnlich gcmusterte Leder-
taxeten kommen zur verwendung, sowie japanische Lrzeugnisse.

In neuerer Zcit haben sich die englischen modernen Mnstor
mächtig Bahn gebrochen. Von ihuen soll nachhcr in cingehender lveise
geredet werden.

Am Rhein und in dcn mcisten süddentschen Städten
erhalten sich noch als Spezialität kleincre, höchftens mittelgroße Dcssins
in courantem lcicht gehaltenen Rococo-Genre mit Blumen, womit sich
eino verwandschaft dcs Geschmackes mit demjenigen dor Franzosen doku-
mentirt. Muster diescr Art geben das Naterial sür den großen Lonsiim,
indem sie den Vortheil bicten, sich auch in dem kleinen Rärtchenformat
der Mnsterbücher (ca. 25 cin) immer noch günstig zu repräsentiren. Der-
artige Aärtchen werden von den lscindlern jZhrljch ji, lsundcrten von
Lxemplaren an die Tapezierer zum Iviederverkans verabfolgt.

In den Rheinlanden sind sodann die sog. Lnträemustcr in ab-
gesetzten gothischcn und Renaissance-Motiven sehr beliebt, deßgleichen
große, streng gehaltene Stilmuster.

Im Allgemeinen ist die Bemerkung zu machen, daß viele von den

besseren Fabrikanten in Deutschland der frühcren ruhigen Lrwägung bei
der Ivahl von guten und soliden Stilmustern verlnstig gegangen sind und
daß sich ihrer eine nervöse Sucht nach absoluten Ncuheiten bemächtigt hat.
Lhedem warcn Stilmuster und einsarbigeDamaste in schönen edlenFormen
ständige Artikel, jetzt werden dieselbcn nurnoch mitfarbigenZuthateuund
in sog. pikanter Ausstattung acceptirt. Als Ursache dieserSinnesänderung
ist einzig das verwerstiche Gebahren der rasch angewachsenen Loncurrenz
zweiten Ranges zu bezeichnon, welch' letzterc nach jeder kserbst-Reisesaison
sich der couraiitesten Nuster bemächtigt, um dieselben durch Nachbildungen
zu geringerem Preise auszubeuten.

Line unangenehme Ueberraschung brachte dann das letzte Iahr
durch einc plötzliche Ueberschwemmung mit amerikanischen Tapeten.
Das war oin Loup, welchen cine vereinigung von ca. 50 amerikanischen
Fabrikanten mit Lagervorräthen ansführte. versuchsweise lioßen sich
manchc lsändler daraus ein, da ihncn abcr vielcs licgen gcblicben ist,
so dürfte dieser Linbruch zu einer vorübergehendcn Lrscheinung werden.

Die schwierigen geschäftlichen verhältnisse im Tapetenwesen haben
unsere Fabrikanten zu allerlei versnchen veranlaßt. Namentlich wurde
von vielen Seiten der versuch geniacht, durch Lrstndung neuer technstcher
Manipulationen sowohl Neuheiten zu bieten, als auch in Folge des
zweckmäßigeren Angreifens direkte finanzielle vorthoile herauszulchlagen,
die man durch patente zu einer dauernden Nutznießiing zu gestalton
sich beeilte. Beispielsweise wurden in Darmstadt Relieftapeten in
solider Masse hergestellt, statt in Papierpressnng. In ksambnrg ist
man auf den sog Pateutfond verfallen, der dadurch entsteht, daß man
den Naturaltapeten durch hübsche Behandlnng und Prestuiig der vordcr-
seite ein Aussehen verleiht, als wären es Tapcten mit gestrichenem Fond.

In Vesterreich begegncn wir im Tapetcnwesen einer wohl-
thuenden Stotigkeit des herrschenden Gcschmacks, welche es dem
Fabrikantcn ermöglicht, in den gcwohntcn gangbaron Arten >ich ent-
sprechend den Fortschritten der Technik immer mehr zu verbesscrn. Die
kleinen, streng stilisirten Tonmuster in zarten Nuancen, welche aus
der Lntfernung einom Uni-Stoffgewebc glcichcn und in der Nähe
eine angenehme Belebung der lvandstäche zcigen, bilden fortgesetzt
eine Ligenthümlichkeit dcs österreichischen Tapctengeschmackes.

Lbenso sind stets boliebt geblieben die mittclgroßen, rulsig
gehalteuon Damaste mit Stoffmnstermotiven nnd Blunien von freierer
Zeichnung, sowie die einfachen stilisirten und stofflich behandelton colorirten
Blumentapeten, welche mcistcns durch -x—6 walzcn hergestellt werden.

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1895. Runftgewerbliche Rundschau Nr.
 
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