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Müllchen, den (5. 2Nai (895.
Nr. Z.
2-czug dcr „Zeirschrifr" sammr Der „^unstgcwerdlichcn Rundschait": Durch den
Vuchdandel, die poft oder die Geschäfksstelle M. Schorß verlag, München, Aöniginftr. 55,
Mk. is6 x>. a.; die Mitglieder des Bayer. Aunftgewerbe-Vereins Oabresbeitrag (H Mk.)
wenn dieselben spätestens vierzedn Eagc nach Erfcheinen der folgenden r/Iummer
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.
HerauSgebcr. Bayer. Kunstgewerbe-Verein, (psandbausftraße 7). — ^tdakrion:
Prof. t. Gmelin, (Luisenftraße (8). - Druck: Rnorr L 5)irtb; sämmtliche in Munchen.
Verlag: m. Lchorß, München, Aöniginstraße 55.
'iir VroAürk: „Vöst ZiMM im LmrrK Znüe!>r819. Iagrg>wi>ert8".*>
von Gttc> Schulze, Aöln a. Rh.
tas Aimbel mit dieser Broschiire eigentlich bezwecken
wollte, dürfte den meisten ihrer Leser nicht zum Be>
wnßtsein kommen. Ein Gemisch politischer, sozialer,
wirthschaftlichcr, religiöser und moralischer Linzelheiten
persönlichster Auffassung inuß für den aufdringlichen Titel herhalten.
Ich bcstreite, daß die Nlacht der Thatsachen Uimbel die Feder in die
kiand gedrückt hat. Oie Broschüre hat dem Aern nach der „Fabri-
kant" Riinbcl ja gar nicht geschriebcn, denn er tritt in vielen seiner
„gcschäftlichen" Aeiißcriingen dem Industriellen, Uaufmann und Unter-
nehmer cntgcgcn! Da entsinne ich mich einer Ausführung Salters
in seiner „Religion der Ukoral", sie heißt: „Die praktische Zustiminung
dcr meisten Ulenschen geht auf das Gesetz des individuellen Selbst-
interesses." Was wir bei Aimbel in den geschilderten gewerblichen
Ziiständen finden, glcich ob cr tadelt oder lobt, ist auf den citirten
Satz zurückzuführen. Jch kann mir nicht helfen, meiner Ansicht nach
ist der Schreinermeister Martin Uimbel aus den j860er Jahren der
Ilrhcber der Broschüre; ein „Fabrikant" aus dem Lnde des Iahr-
hundcrts hättc die Zcitverhältnisse anders erfaßt.
N)as meint Uimbel mit Redensarten wie den nachstehenden:
„Das Recht zu lebcn ist phrase, aber das Recht, unter dcm schützenden
Dachc gesunder Gesetze zu existiren, ist doch sicher das Allerbilligste,
was man verlangcn kann. Das existirt nicht und ist von mir bereits
im „Notruf" -) erwähnt worden."
„Der Staat hat seit INenschengedenken nicht mehr mit der Lnt-
wickelung und Lrhaltung gediegenen bürgerlichen wesens gerechnet.
Dasselbc war seiner Zeit in sich so sittlich stark, daß es nicht noth-
wendig hatte, die Hilfc dcs Staates in Anspruch zu nchmcn."
Nach Uimbel sind die Uranken-, Berufs- und Invaliditätskassen
nnr Angstprodnkte der Gcsetzgeber dcn Sozialdemokraten gcgenüber,
dcr moderne Uaufmannsstand aber in einer moralischen Verfassung
innerer IVerthlosigkeit und änßeren Scheinwerks, daß diosem schließlich
dos Gcwerbes ganzer Iammer zur Last gelegt werden müsse.
was Uimbel über don Uaufmannsstand und den Zwischenhandel
sagt, ist nur im kleinsten Theil richtig. Der Zwischenhandel hat der
gcwerblichen Produktion Absatzgebiete erschlossen, an die die gejchäft-
liche Praxis des ksandwerksmeisters nie herangereicht hätte.
-) riothruf des Alinstgew-rbes! vo» Marlin Rimbrl, Broslau, Mk. PSO.
Darmftadt, Alexander Aoch. (895.
wcnn man sclbst im Glashause sitzt, soll man nicht in andercr
Leute Fenster werfen. Zur Ulärnng der Thatsachen: Uimbel betreibt
seine Schrcincrei hcute fabrikmäßig; er unterhält gleichzeitig für eigene
Rechnung eine Bildschnitzerci, Tapezier-, Dckorateur-, vergolder- und
Uunstschmiedewerkstatt; dann cin Waarcninagazin mit Teppichen,
Gardinen und Tcrtilen für die wohnungsausstattung. Alle lfoch-
achtuiig vor der Intclligcnz und dem geschäftlichen wcitblick Uimbcls
— der Schreinermeister von ;868 ist dem Fabrikanten von ;89-i
unterlegenl weshalb? wahrnchmung und Aiisnutzung des wirth-
schaftlichen Aufschwunges in Deutschland, kaufmännische Ualkulation,
kapitalistische Ausnutzung von Geld-, Lohn- und Maschinenwerthen,
Beherrschung technischer Fertigkeiten, hohes kunstgewerbliches Uönnen
und ästhetisches Feingesühl bei neuzeitlichem Scharfblick bilden die
Grundlage des Lmxorkommens Uimbels. Lr hat klein angefangen,
mit einem Gesellen und zwei Lehrlingen — ich kann Uimbel eine
ganze Reihe solcher gleichfalls hochgeachteten Leute nennen, die vielen
ihrer lNitmenschen weit vorausgeeilt sind! Aber Uimbel verbittert
mir die Freude an diesen stolzen Lrrungenschaften durch die vielen
Zweideutigkciten und Verdächtigungen, mit wclchen er seine Broschüre
geschmückt hat.
Oon klcinlichen Nörgeleien über — wie mir schcint — stark auf-
gebanschte, lokale Verhältnisse Breslau's ausgehend, überträgt Uimbel
seine haltlosen Schlüsse auf ihm ganz fernstehende Landschaften und
Zustände, lNaßnahmen und Linrichtungen derart, daß von den nicht
zu verkennenden guten Absichten doch nur ein widerliches Zerrbild
bleibt. Daß die volksschulcn und humanistischen Lchranstalten in dcr
jdflege des Zeichenunterrichtcs nicht auf der lsöhe der g>cit steheu, wird
seit langcm allseitig empfunden, und Uimbels Idecn über Befserung
und Fortschritte, wie er sie erstrebt, sind zum Theil recht gesunde, nur
übersicht er die Dinge in etwas kurzsichtiger weise. Ich muß annchmen,
daß Uimbel sich nicht immer die lllühe gegeben hat, sich über die
Lrfolge dcr außerhalb der eigentlichen Schulen stohcnden gewcrblichcn
und kunstgewerblichen Bildungsanstalten, Fach-, Aeichen- und Fort-
bildungsschulen zu unterrichten. wenn ich auch gutklingende Namcn
wie ^ischbach-wiesbaden und Sauermann-^flensburg gern unterjchreibe,
erftrecken sich dercn Lrfolge doch immer auf ein verhältnißmäßig
kleines Gebict, was aber in gleichem Maße bei hnndert Anderen bc-
deutenden Uunstgewerbetreibenden, Uünstlern, Lehrern und Gelehrtcn
*) von llkartin Uimbcl-Breslan. verlag von A. Unrtzo-Breslau Mk. ;.20.
X
Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.
Müllchen, den (5. 2Nai (895.
Nr. Z.
2-czug dcr „Zeirschrifr" sammr Der „^unstgcwerdlichcn Rundschait": Durch den
Vuchdandel, die poft oder die Geschäfksstelle M. Schorß verlag, München, Aöniginftr. 55,
Mk. is6 x>. a.; die Mitglieder des Bayer. Aunftgewerbe-Vereins Oabresbeitrag (H Mk.)
wenn dieselben spätestens vierzedn Eagc nach Erfcheinen der folgenden r/Iummer
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.
HerauSgebcr. Bayer. Kunstgewerbe-Verein, (psandbausftraße 7). — ^tdakrion:
Prof. t. Gmelin, (Luisenftraße (8). - Druck: Rnorr L 5)irtb; sämmtliche in Munchen.
Verlag: m. Lchorß, München, Aöniginstraße 55.
'iir VroAürk: „Vöst ZiMM im LmrrK Znüe!>r819. Iagrg>wi>ert8".*>
von Gttc> Schulze, Aöln a. Rh.
tas Aimbel mit dieser Broschiire eigentlich bezwecken
wollte, dürfte den meisten ihrer Leser nicht zum Be>
wnßtsein kommen. Ein Gemisch politischer, sozialer,
wirthschaftlichcr, religiöser und moralischer Linzelheiten
persönlichster Auffassung inuß für den aufdringlichen Titel herhalten.
Ich bcstreite, daß die Nlacht der Thatsachen Uimbel die Feder in die
kiand gedrückt hat. Oie Broschüre hat dem Aern nach der „Fabri-
kant" Riinbcl ja gar nicht geschriebcn, denn er tritt in vielen seiner
„gcschäftlichen" Aeiißcriingen dem Industriellen, Uaufmann und Unter-
nehmer cntgcgcn! Da entsinne ich mich einer Ausführung Salters
in seiner „Religion der Ukoral", sie heißt: „Die praktische Zustiminung
dcr meisten Ulenschen geht auf das Gesetz des individuellen Selbst-
interesses." Was wir bei Aimbel in den geschilderten gewerblichen
Ziiständen finden, glcich ob cr tadelt oder lobt, ist auf den citirten
Satz zurückzuführen. Jch kann mir nicht helfen, meiner Ansicht nach
ist der Schreinermeister Martin Uimbel aus den j860er Jahren der
Ilrhcber der Broschüre; ein „Fabrikant" aus dem Lnde des Iahr-
hundcrts hättc die Zcitverhältnisse anders erfaßt.
N)as meint Uimbel mit Redensarten wie den nachstehenden:
„Das Recht zu lebcn ist phrase, aber das Recht, unter dcm schützenden
Dachc gesunder Gesetze zu existiren, ist doch sicher das Allerbilligste,
was man verlangcn kann. Das existirt nicht und ist von mir bereits
im „Notruf" -) erwähnt worden."
„Der Staat hat seit INenschengedenken nicht mehr mit der Lnt-
wickelung und Lrhaltung gediegenen bürgerlichen wesens gerechnet.
Dasselbc war seiner Zeit in sich so sittlich stark, daß es nicht noth-
wendig hatte, die Hilfc dcs Staates in Anspruch zu nchmcn."
Nach Uimbel sind die Uranken-, Berufs- und Invaliditätskassen
nnr Angstprodnkte der Gcsetzgeber dcn Sozialdemokraten gcgenüber,
dcr moderne Uaufmannsstand aber in einer moralischen Verfassung
innerer IVerthlosigkeit und änßeren Scheinwerks, daß diosem schließlich
dos Gcwerbes ganzer Iammer zur Last gelegt werden müsse.
was Uimbel über don Uaufmannsstand und den Zwischenhandel
sagt, ist nur im kleinsten Theil richtig. Der Zwischenhandel hat der
gcwerblichen Produktion Absatzgebiete erschlossen, an die die gejchäft-
liche Praxis des ksandwerksmeisters nie herangereicht hätte.
-) riothruf des Alinstgew-rbes! vo» Marlin Rimbrl, Broslau, Mk. PSO.
Darmftadt, Alexander Aoch. (895.
wcnn man sclbst im Glashause sitzt, soll man nicht in andercr
Leute Fenster werfen. Zur Ulärnng der Thatsachen: Uimbel betreibt
seine Schrcincrei hcute fabrikmäßig; er unterhält gleichzeitig für eigene
Rechnung eine Bildschnitzerci, Tapezier-, Dckorateur-, vergolder- und
Uunstschmiedewerkstatt; dann cin Waarcninagazin mit Teppichen,
Gardinen und Tcrtilen für die wohnungsausstattung. Alle lfoch-
achtuiig vor der Intclligcnz und dem geschäftlichen wcitblick Uimbcls
— der Schreinermeister von ;868 ist dem Fabrikanten von ;89-i
unterlegenl weshalb? wahrnchmung und Aiisnutzung des wirth-
schaftlichen Aufschwunges in Deutschland, kaufmännische Ualkulation,
kapitalistische Ausnutzung von Geld-, Lohn- und Maschinenwerthen,
Beherrschung technischer Fertigkeiten, hohes kunstgewerbliches Uönnen
und ästhetisches Feingesühl bei neuzeitlichem Scharfblick bilden die
Grundlage des Lmxorkommens Uimbels. Lr hat klein angefangen,
mit einem Gesellen und zwei Lehrlingen — ich kann Uimbel eine
ganze Reihe solcher gleichfalls hochgeachteten Leute nennen, die vielen
ihrer lNitmenschen weit vorausgeeilt sind! Aber Uimbel verbittert
mir die Freude an diesen stolzen Lrrungenschaften durch die vielen
Zweideutigkciten und Verdächtigungen, mit wclchen er seine Broschüre
geschmückt hat.
Oon klcinlichen Nörgeleien über — wie mir schcint — stark auf-
gebanschte, lokale Verhältnisse Breslau's ausgehend, überträgt Uimbel
seine haltlosen Schlüsse auf ihm ganz fernstehende Landschaften und
Zustände, lNaßnahmen und Linrichtungen derart, daß von den nicht
zu verkennenden guten Absichten doch nur ein widerliches Zerrbild
bleibt. Daß die volksschulcn und humanistischen Lchranstalten in dcr
jdflege des Zeichenunterrichtcs nicht auf der lsöhe der g>cit steheu, wird
seit langcm allseitig empfunden, und Uimbels Idecn über Befserung
und Fortschritte, wie er sie erstrebt, sind zum Theil recht gesunde, nur
übersicht er die Dinge in etwas kurzsichtiger weise. Ich muß annchmen,
daß Uimbel sich nicht immer die lllühe gegeben hat, sich über die
Lrfolge dcr außerhalb der eigentlichen Schulen stohcnden gewcrblichcn
und kunstgewerblichen Bildungsanstalten, Fach-, Aeichen- und Fort-
bildungsschulen zu unterrichten. wenn ich auch gutklingende Namcn
wie ^ischbach-wiesbaden und Sauermann-^flensburg gern unterjchreibe,
erftrecken sich dercn Lrfolge doch immer auf ein verhältnißmäßig
kleines Gebict, was aber in gleichem Maße bei hnndert Anderen bc-
deutenden Uunstgewerbetreibenden, Uünstlern, Lehrern und Gelehrtcn
*) von llkartin Uimbcl-Breslan. verlag von A. Unrtzo-Breslau Mk. ;.20.
X
Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.