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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1884

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Destouches, Ernst von: Skizzen: aus dem Vortrage des kgl. Geheimsekretärs und Stadtarchivars Ernst v. Destouches über "Säkularbilder aus Münchens Vergagenheit", gehalten im Bayerischen Kunstgewerbe-Verein am 15. Januar 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.7028#0097

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$©■ Skizzen

aus öem Vorlrage öes Kgl. GeheimftKrelärs unö Staölarchivars Lrnst v.Deslouches über

„SäKularbilöer aus Münchens Vergangenheit",

gehalten im Bayerischen Kunstgewerbe-verein am Z5. Januar J88^.

Grund eines von ihm zuerst an's Licht gebrachten Materials
zeichnet, — wie schon in unserer vereins-Thronik andeutungsweise
erwähnt wurde, — der verdienstvolle vaterländische Geschichts-
schreiber die im Lause der Jahrhunderte sich vollziehende stetige Ent-
wickelung Münchens. Ls sei hier gestattet, aus dem reichhaltigen
Stoffe, den vollständig hier wiederzugeben wir uns seines Umfanges
wegen versagen müssen, wenigstens einige Momente zu erfassen und zwar
womöglichst in engstem Anschlüsse an die Worte des Vortrages selbst. —

Im Jahre des lheils 1184 war München in's sechste Lustrum
des Bestehens als Stadt getreten. Wie winzig klein war der Anfang
dieser Gründung des berühmten Welfen Heinrichs des Löwen! Das
Isar- oder Thalbruckthor, der jetzige Rathhausthurm im Gsten, der
Ahauffringer- oder nachmals „schöne Thurm" im Westen, das älteste
Schwabinger Thor, später Wilbrcchts-, auch Schäffel- oder Nudelthurin
im Norden an der Kreuzung der Wein-, Theatiner-, Schäffler- und
2chrammerstraße, das älteste Sendlingerthor, nachmals Blauenten- oder
Ruffinithurm genannt, an der Kreuzung der Sendlingerstraße mit
dem Rosenthal und Färbergraben bildeten damals die Endpunkte, die
durch Mauern und einen Kanal verbunden waren; der letztere theilte
stch schon damals, wie noch heutzutage, im Rosenthal in zwei Arme,
wovon der eine in der Richtung nach dem Färbergraben, der Augustiner-,
Schäffler- und Schrammergasse nach dem Hosgraben, der anderein der
Dichtung nach der Roßschwemme und der Bräuhausstraße stießt und
sich wieder bei der k. Hofxfisterei mit dem erstcren vereinigt, womit
Zugleich auch der Zug der ältesten Stadtmauern und die Liform,
welche das älteste Altmünchen hatte, sich erhalten hat.

Das Jahr war das erste Regierungsjahr des zweiten

Herzogs von Bayern aus dem Hause Wittelsbach, Ludwig des Kel-
heimers; denn das Jahr voraus hatten sie am u. Juli den großen
AAttelsbacher Dtto in der Gruft zu Scheyern zur letzten Ruhestätte
gebettet.

München war damals noch nicht zur Haupt- und Residenzstadt
^es Landes erhoben; ein von den Herzogen bestellter Richter, ein
Aliinznieister und ein Zöllner besorgten als einzige Vbrigkeit die Ge-
schäfte und in der ältesten Kirche zu St. Peter, als der ersten Pfarr-
kirche, haben unsere ersten Vorfahren ihre Andacht verrichtet. Die
wenigsten Häuser waren damals aus Stein gebaut, Schindelbedachung
war die Regel und so mag der Anblick der jungen Stadt wohl nichts
weniger als ein stattlicher gewesen sein; am allerwenigsten aber mochte
cr haben vermuthen lassen, welch' glänzende Zukunft einst diesem kleinen
Burgfrieden beschieden sein sollte. —

Als das Jahr 1284 anhub, war mit der Stadt inzwischen eine
wichtige Wandlung vorgegangen, indem ihr nunmehriger Regent, Herzog
Ludwig II. der Strenge, nach der \255 mit seinem Bruder Heinrich
"°rgenommenen Landestheilung sich in München einen Wohnsitz, den
^ten Ifof, erbaute, aus welchem im Laufe der Zeit die ständige
Libenz der Herzoge und München somit die Hauptstadt Vberbayerns
geworden war. Die Stadt besaß in unserem Säkularjahr bereits drei
bstarreien, denn die Einwohnerzahl hatte sich derart vermehrt, daß
chon die bisherige Pfarrei zu St. Peter getheilt und die bis-
herige Marienkaxelle — an der Stelle der jetzigen Frauenkirche —
3U einer Pfarrei mit eigener Sexultur erhoben werden mußte, während
e em Pfarrer zwei Hilfspriester und ein Lehrer für Knaben zuge-
heilt wurden. Gleichzeitig wurde auch die Katharinakaxelle beim Hl.

st spitale zu einer besonderen Pfarrei ebenfalls mit eigener Sexultur
^reirt, welche alle Angehörigen des Spitals umfassen sollte. Kurz vor
König Rudolph von Habsburg den Bürgern auf verwend-
g es Herzogs Ludwig für den Handel mit eigenen Waaren alle

jene Befreiungen, wie sie die Regensburger besaßen, durch das ganze
deutsche Reich zu Wasser und zu Lande verliehen; im Jahre ;28<(
war auch die Selbständigkeit der Stadt hinsichtlich ihrer verfasiung
dem Abschluß nahe, indem die Stadtgemeinde schon die Rechtspstege
und die Verwaltung in ihrer Hand vereinigte; schon waren es bei-
nahe so Jahre, daß sie unter eigenem Stadtsiegel fertigte. In seiner
äußeren Gestalt bot München ein anderes und stattlicheres Bild als
das von dar. Jung-München begann sich zu fühlen; es wollte sich
der umhüllenden Bande entledigen und über die alten Stadtmauern
Hinausstrecken. Den Mittelpunkt bildete, als Herz des Ganzen, der
Marktplatz; die ihn umgebenden Häuser waren sämmtlich mit Bogen-
gängen, sogenannten „Lauben" versehen, vor welchen die verschiedenen
Geschäfts- und Handelszweige ihre bestimmten Plätze hatten. Noch
ist eine Reminisccnz an diesen Zustand in den „finsteren Bögen" längs
der Südseite des Marienxlatzes erhalten. Unter den Häusern der
Westseite wurde die obere, unter denen der Nordseite an der Ecke der
Weinstraße die untere Kornschranne abgehalten; weiter nordöstlich um
den Brunnen herum befand sich der Fischmarkt; die Häuser aus der
Südseite führten die Benennung „unter den Krämen", die ebenfalls
nach ihrer Lage in die „oberen" und „unteren" zerfielen, während erstere
noch mit dem Namen „unter den Watmangern" von den „Watgaden"
der Tuchhändler bezeichnet wurden. Auf dem Marktplatz selbst erhob
sich, den westlich gelegenen Häusern gegenüber das „Dinchaus" oder
Rechthaus, in dessen Erdgeschosse sich eine Anzahl von Läden und
die Brodbänke befanden. Gegen die Mitte des Platzes zu, wo jetzt
die Mariensäule steht, befand sich die herzogliche Münzstätte, welche
bei einem volksauflaufe niedergebrochen wurde. In der Nähe
derselben waren die Fleischbänke — kurz: es mag ein belebtes
Bild gewesen sein, das dieser Platz an den Markt- und Schrannen-
tagen bot, wo die alten Münchener fast alle ihre Lebcnsbedürfniffe
einkaufen und zugleich ihre Rechtsgeschäfte und Gerichtshändel be-
sorgen und austragen konnten. —

Die Verfassung und Gestalt der Stadt bildet im Jahre 1384
ein vollständig verändertes Bild gegen das des vergangenen Jahr-
hunderts dar. War ja doch in das inzwischen verstrichene die glor-
reiche Regierungszeit Ludwig des Bayers gefallen, welche geradezu
den Höhepunkt des Glückes Münchens bezeichnet. Reich wie kein
anderer Fürst, hatte er die Stadt mit Privilegien und Freiheiten be-
schenkt, welche ihre Bedeutung und das materielle Wohl ihrer Bürger
auf's Mächtigste hoben, wie er zugleich durch die Verleihung eines
Stadtrechtbuches eine unvergleichliche Wuelle der Rechtssicherheit er-
öffnet hatte. Wenn man den Werth, die Bedeutung und Tragweite
in's Auge faßt, welche Ludwigs Kaiserxrivilegien für München haben,
so dürfen sie alle geradezu als goldene Bullen im eminentest-idealen
Sinne des Wortes bezeichnet werden, wenn auch nur zwei derselben unter
dieser Form ausgefertigt wurden; die eine von 1329, welche sämmtliche
Freiheiten der Stadt sanktionirte, die andere vom Jahre 1332 (ist, aus
München datirt, worin er ihr die Salzniederlage bestätigte. Beide
Urkunden waren in dem Sanctuarium der epochemachenden Kunstge-
werbeausstellung von ;876 ausgelegt, wobei außer dem inneren Wcrthe
derselben, die meisterhafte Arbeit der goldenen Bullen das höchste Interesse
erregte. — Betreffs des äußern Aussehens Münchens ist zu erwähnen,
daß um den Kern der vom welfenherzog gegründeten leoninischen Stadt
in raschem Emporblühen unter der Aegide des Hauses Wittelsbach ein
neuer Kreis von Straßen den Umfang der ersten Ansiedlung mehr als ver-
doppelte. Diese zweite äußere Stadt ließ Ludwig der Bayer in den ersten
Dezennien des Jahrhunderts mit einem Mauergürtel umziehen,
welcher jenen Umfang beschrieb, den bis zu Anfang unseres gegen-
wärtigen Jahrhunderts die Altstadt hatte. Damals waren aucb die
 
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