ÜBER GALERIEKATALOGE
VON
HEINRICH WOLFFLIN
ede gepflegte Galerie besitzt ihren
„wissenschaftlichen" Katalog, das
will sagen: einen Katalog, der neben
den Flanptdaten zum Leben der
Künstler die faksimilierten Signaturen
und Datierungen enthält, die genauen Bildmaasse, die
Bezeichnung des Malgrundes und Malmittels, An-
gaben über die Herkunft des Bildes und über die
ältesten Erwähnungen; oder, wenn direkte Zeugnisse
fehlen, so wird doch über die ungefähre Zeit und
Autorschaft eine Notiz gemacht werden, auch pflegen
Literaturverweisungen kaum ganz zu fehlen, jeden-
falls nicht, wenn widersprechende Beurteilungen
vorliegen. Auf diese Anmerkungen wird die grösste
Sorgfalt verwendet, man sieht darin, obwohl sie
nur klein gedruckt werden, den eigentlichen Wert
eines Kataloges; was gross gedruckt wird, die Bild-
beschreibung, scheint von vornherein als etwas
Gleichgültiges betrachtet zu werden. Bestimmte
Forderungen giebt es hier überhaupt nicht: bald
vollständiger, bald unvollständiger wird der Sach-
inhalt analysiert, das Thema gekennzeichnet, die
Figuren benannt und noch diese oder jene Detail-
erwähnung in die ungefügen Sätze eingeklemmt.
Eine langweilige Arbeit für die jungen Kunst-
historiker, denen diese Aufgaben zugeschoben
•werden, und schliesslich auch fast nutzlos; denn wer
liest diese Beschreibungen? Ihr einziger Zweck
scheint zu sein, gelegentlich zu einer Identi-
fizierung der Bilder verhelfen zu können.
Sind diese Anschauungen richtig? Ich glaube
nicht. Man hat zwar heutzutage den Grundsatz,
den Besucher der Museen von Katalogen möglichst
unabhängig zumachen: ersoll am Objektselbst gleich
verzeichnet finden, was zu wissen nötig ist, und
nicht erst, mit Hilfe eines Zahlenverweises den Auf-
schluss einem Buche entnehmen müssen. Ein Blick
soll genügen, um über das Allgemeinste orientiert
)"i
VON
HEINRICH WOLFFLIN
ede gepflegte Galerie besitzt ihren
„wissenschaftlichen" Katalog, das
will sagen: einen Katalog, der neben
den Flanptdaten zum Leben der
Künstler die faksimilierten Signaturen
und Datierungen enthält, die genauen Bildmaasse, die
Bezeichnung des Malgrundes und Malmittels, An-
gaben über die Herkunft des Bildes und über die
ältesten Erwähnungen; oder, wenn direkte Zeugnisse
fehlen, so wird doch über die ungefähre Zeit und
Autorschaft eine Notiz gemacht werden, auch pflegen
Literaturverweisungen kaum ganz zu fehlen, jeden-
falls nicht, wenn widersprechende Beurteilungen
vorliegen. Auf diese Anmerkungen wird die grösste
Sorgfalt verwendet, man sieht darin, obwohl sie
nur klein gedruckt werden, den eigentlichen Wert
eines Kataloges; was gross gedruckt wird, die Bild-
beschreibung, scheint von vornherein als etwas
Gleichgültiges betrachtet zu werden. Bestimmte
Forderungen giebt es hier überhaupt nicht: bald
vollständiger, bald unvollständiger wird der Sach-
inhalt analysiert, das Thema gekennzeichnet, die
Figuren benannt und noch diese oder jene Detail-
erwähnung in die ungefügen Sätze eingeklemmt.
Eine langweilige Arbeit für die jungen Kunst-
historiker, denen diese Aufgaben zugeschoben
•werden, und schliesslich auch fast nutzlos; denn wer
liest diese Beschreibungen? Ihr einziger Zweck
scheint zu sein, gelegentlich zu einer Identi-
fizierung der Bilder verhelfen zu können.
Sind diese Anschauungen richtig? Ich glaube
nicht. Man hat zwar heutzutage den Grundsatz,
den Besucher der Museen von Katalogen möglichst
unabhängig zumachen: ersoll am Objektselbst gleich
verzeichnet finden, was zu wissen nötig ist, und
nicht erst, mit Hilfe eines Zahlenverweises den Auf-
schluss einem Buche entnehmen müssen. Ein Blick
soll genügen, um über das Allgemeinste orientiert
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