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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 8
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Schiefler, Gustav: Edvard Munchs Alfa og Omega
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0421
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ED. MUNCH, TITELV1GNF.TTE

EDVARD MÜNCHS ALFA OG OMEGA

VON

GUSTAV SCHIEFLER

Edvard Munch hat eine Serie von Lithographien geschaffen, die er unter dem
Titel Alfa og Omega herausgiebt. Es ist eine Reihenfolge von Blättern, die,
echte Kinder Munchscher Phantasie, einen Vorwurf umfassenden Weltbetrachtens
in der Beleuchtung persönlichen Erlebens behandeln. Da der Künstler in der
Stimmung eines grimmigen Humors an die Arbeit gegangen ist, hat sich eine
merkwürdige Mischung nachdenklicher Grübelei, ironischer Selbstverspottung,
beissender Satire und selbstherrlicher Weltverachtung ergeben. Das betrifft den
gegenständlichen Inhalt; die Form des Ausdrucks, die künstlerische Lösung, ent-
spricht diesem Charakter. Wer etwas säuberlich Gearbeitetes in abgewogener
Gleichmässigkeit erwartet, kommt nicht zu seinem Recht. Eine mächtige, um
Einzelheiten unbesorgte Lust am Abgekürzten, Angedeuteten fährt in grossen
Linien und Flächen auf dem Stein herum; die Grenzen der Karikatur werden
oft überschritten, aber eine grossartige Rhythmik herrscht überall. Es wird Einem
gelegentlich unbehaglich dabei zu Sinn, dann aber wieder packt es bald wie ein
süsses Singen, bald wie ferner grollender Donner, wie Blitz und Krach, oder
gellendes Lachen.

Alfa, das ist der Mann, und Omega das Weib. Wir sehen sie das
Leben der ersten Menschen führen, in einer Umgebung, wie wir uns das
Paradies vorstellen, in selbstverständlicher Nacktheit in Gemeinschaft mit

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