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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 8
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Chronik / Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0437

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CHRONIK

ndreas Achenbach, der am :. April in
dem Tizianischen Alter von fünfund-
neunzig Jahren starb, ist während seiner
Ruhmeszeit so viel apostrophiert wor-
den, dass sich ein ausführlicher Nekro-
log erübrigt. Er hat das tragische Schicksal erfahren,
seinen Ruhm zu überleben. Er war eine jener Spiel-
hagennaturen, die Romantiker sind, während sie Natu-
ralisten scheinen, die mit der Oberförsterstattlichkeit
idealer Achtundvierziger dastehen und die den inneren
Optimismus der Jahrzehnte vor der Reichsgründung
symbolisch fast verkörpern. Achenbachs Erfolg war,
dass er ungeschminkte Wirklichkeiten durch ein an-
geborenes Theatertemperament sah und sie unmerk-
lich romanhaft dramatisierte. Er wusste im Betrachter
immer Behagen zu wecken: den Wunsch auch so wie
die Seeleute „mit den Wellen zu kämpfen", in der
Buschmühle am rauschenden Bach zu wohnen oder
das dramatisch heraufziehende Gewitter als Sensation
zu erleben. Ein später katholischer Nazarener bei
allem „Naturalismus", der schaudernd vor dem Im-
pressionismus als Weltanschauung zurückwich; eine

sinnlich rezeptive Natur, ein pikanter Reisemaler, ein
Romantiker des Gegenstandes. Seine Gattung stirbt
aus; und mit ihr verschwindet aus der Malerei eine Art
von pantheistischer Natursehnsucht, die ganz gewiss
gymnasiastenhaft, aber doch wunderschön war.

Jede Zeit hat ihre besondere geistige Epidemie. In
einem Jahr häufen sich Depotunterschlagungen und
Bankerotte, in einem andern Eisenbahnunfälle, und in
einem dritten vielleicht Selbstmorde. Das Jahr 1910
steht im Zeichen der Jagd nach Kunstfälschungen und
der Kunstpolitik. An der Madonna mit der Wicken-
blüte und der Florasensation hätten wir gerade genug
gehabt. Inzwischen ist es aber auch noch nötig gewor-
den zu beweisen, dass das von französischer Seite an-
gezweifelte prachtvolle Firmenschild des Gersaint von
Watteau, — im Besitz des Kaisers und neulich am
Pariser Platz ausgestellt —, wirklich und wahrhaftig
echt ist (Paul Seidel in Nr. 7 der amtlichen Berichte
aus den kgl. Kunstsammlungen) — zu zeigen, dass

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