Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Elias, Julius: Die Pariser "Salons"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0532
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
M^Mtt^^SBm^Bm^M^^M^Bi^ii



MAURICE DENIS, LASSET DIE KINDLEIN

DIE PARISER „SALONS'

VON

JULIUS ELIAS

® ie Geschichte des pariser „Salons" sollte
einmal geschrieben werden, — dann würde
sich zeigen, dass die Entwicklung von der
ej^^TW?» Wohlthat hinunter zur Plage ging. Die
Unternehmung reicht bis in die vierziger Jahre des
siebzehnten Jahrhunderts zurück und blühte hundert
Jahre ohne Jury, wie die heutigen „Independants"; der
Name schreibt sich, wie ich früher schon auseinander-
setzte, von dem „viereckigen Saal" („Salon Carre") des
Louvre her, wo die Ausstellungen während des acht-
zehnten Jahrhunderts stattfanden. In jenen glückseligen
Zeiten bestritten immer nur ein paar hundert Bilder
den Jahresertrag; doch wie Menschen, wenn sie in
die Jahre kommen, wurden die „Salons" immer ge-
schwätziger. Aus Eliteausstellungen wurden Schützen-
feste des Malerhand werks. Im Wandel der Tage wieder-
holten sich die Versuche, durch Neugründungen aber-
mals rein künstlerische Gedanken zu verwirklichen,
die führenden Persönlichkeiten und die heranwach-
sende Jugend gegen die Unterdrückungsgelüste der
majorisierenden Mittelmässigkeit zu schützen; deshalb
stifteten verfolgte Impressionisten den „Salon der Un-
abhängigen"; deshalb erzwang der alte Meissionier,
ein starker Mann, 1890 die Spaltung im „Salon des
artistes frangais", um durch die Errichtung des „Mars-

feldsalons" („Societe nationale des beaux-Arts") ein
genaueres Bild vom Stande der französischen Malerei
zu schaffen, als es die schulmeisternde Selbstsucht
seiner eigenen Generation darbot. Aber „Societe" und
„Independants" entwickelten sich wesentlich anders:
diese öffneten durch die Juryfreiheit dem Dilettantis-
mus Thür und Thor, und jene legte sich nach und
nach, trotz Jury, eine ähnliche Weitherzigkeit gegen
das Metier zu. Immerhin wird hier dem und sei es
auch irrend aufstrebenden Talent eine höhere Ent-
faltungsmöglichkeit geboten als bei der „Societe", die
sich nur auf das technische Niveau etwas zugute thut,
im übrigen aber die Kräfte, die nicht Ausstellungs-
malereien liefern, sondern für sich neue Wege suchen,
geflissentlich fernhält.

Und nun heute: der alte Salon $$61 Nummern,
die „Societe nationale" 2641 Nummern und die „Inde-
pendants" gar 5669 Nummern — ohne die kunst-
gewerblichen Schnurrpfeifereien! Dieses Resultat ist
beängstigend, — ich meine das nicht von wegen der
„kritischen Pflicht": mit dem Kritiker hätte ich kein
Mitleid, selbst wenn es in jedem Salon zwanzigtausend
Bilder zu mustern gäbe. Auch die Besucher thun mir
nicht sonderlich leid, denn wer sich in Gefahr begiebt,
braucht sich nicht zu wundern, wenn er darin umkommt.

J20
 
Annotationen