LEOPOLD VON KALCKREUTH, HAMBURGER ITAFEN
LEOPOLD VON KALCKREUTH
VON
KARL SCHEFFLER
ieses ist der dauernd schmerz-
liche Konflikt für den Schrift-
steller, den Anlage und Nei-
gung bestimmen, Werke
lebender Künstler zu Stu-
dienobjekten zu machen:
dass er an die Wirkung
seiner Worte auf den
Künstler nicht denken darf,
dass er Kunstwerke vielmehr
betrachten muss, wie der Natur-
forscher die Naturorganismen, wenn er auf Grund
einzelner persönlicher Kunstwerke das Wesen der
überpersönlichen Kunst als Ganzes zu erkennen
sucht, dass er im Künstler also nur ein Werkzeug
zu sehen hat, ein zulängliches oder unzulängliches.
Es beleidigt den Künstler, wenn er nicht absolut
genommen wird, wo er selbst sich absolut nimmt
und es auch thun muss. Hier liegt die ewige Diver-
genz. Der Künstler empfindet es als Kränkung seiner
Würde, wenn er, der ganz Persönlichkeit ist, ob-
jektiv und relativ betrachtet wird; der Schriftsteller
aber sinkt gleich auf die Stufe eines banalen Lob-
redners oder Tadlers herab, wenn er das Überper-
sönliche nicht wenigstens sucht.
Am meisten fordert nun zu einer solchen man
möchte sagen naturwissenschaftlichen Untersuch-
ungsweise die Spezies des Talents auf, die Leopold
von Kalckreuth so prägnant verkörpert. Denn man
kann sich für Das, was die so geartete Begabung
produziert, wohl erwärmen, aber nicht begeistern,
man kann sich nicht rückhaltlos hingeben, sondern
muss eine Analyse versuchen, man wird nicht über-
wältigt, sondern zur sachlichen Untersuchung an-
geregt. Sehr leicht schreibt man gerade über die
Kunst Leopolds von Kalckreuth so, als sei der
Künstler mehr ein NaturbegrifF als eine lebendige,
menschlich prächtige Persönlichkeit, wie es doch
der Fall ist. Es bittet beim Schreiben eine innere
Stimme leise gerade diesen Künstler um Entschul-
5^5
LEOPOLD VON KALCKREUTH
VON
KARL SCHEFFLER
ieses ist der dauernd schmerz-
liche Konflikt für den Schrift-
steller, den Anlage und Nei-
gung bestimmen, Werke
lebender Künstler zu Stu-
dienobjekten zu machen:
dass er an die Wirkung
seiner Worte auf den
Künstler nicht denken darf,
dass er Kunstwerke vielmehr
betrachten muss, wie der Natur-
forscher die Naturorganismen, wenn er auf Grund
einzelner persönlicher Kunstwerke das Wesen der
überpersönlichen Kunst als Ganzes zu erkennen
sucht, dass er im Künstler also nur ein Werkzeug
zu sehen hat, ein zulängliches oder unzulängliches.
Es beleidigt den Künstler, wenn er nicht absolut
genommen wird, wo er selbst sich absolut nimmt
und es auch thun muss. Hier liegt die ewige Diver-
genz. Der Künstler empfindet es als Kränkung seiner
Würde, wenn er, der ganz Persönlichkeit ist, ob-
jektiv und relativ betrachtet wird; der Schriftsteller
aber sinkt gleich auf die Stufe eines banalen Lob-
redners oder Tadlers herab, wenn er das Überper-
sönliche nicht wenigstens sucht.
Am meisten fordert nun zu einer solchen man
möchte sagen naturwissenschaftlichen Untersuch-
ungsweise die Spezies des Talents auf, die Leopold
von Kalckreuth so prägnant verkörpert. Denn man
kann sich für Das, was die so geartete Begabung
produziert, wohl erwärmen, aber nicht begeistern,
man kann sich nicht rückhaltlos hingeben, sondern
muss eine Analyse versuchen, man wird nicht über-
wältigt, sondern zur sachlichen Untersuchung an-
geregt. Sehr leicht schreibt man gerade über die
Kunst Leopolds von Kalckreuth so, als sei der
Künstler mehr ein NaturbegrifF als eine lebendige,
menschlich prächtige Persönlichkeit, wie es doch
der Fall ist. Es bittet beim Schreiben eine innere
Stimme leise gerade diesen Künstler um Entschul-
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