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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 9
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Grautoff, Otto: Deutsche und französische Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0533
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I

TH. VON BROCKHUSEN, LANDSCHAFT

SAMMLUNG STERN

DEUTSCHE UND FRANZOSISCHE KUNSTLITERATUR

VON

OTTO GRAUTOFF

In Deutschland ist die Kunstdeutung ein Beruf. Das
Klassenbewusstsein des deutschen Kunsthistorikers ist
scharf ausgeprägt. Ihm allein steht es zu über Kunst zu
schreiben, vor allem über die Kunst vergangener Jahr-
hunderte. Mit gewissem Recht. Die Aufgabe verlangt
historische Kenntnisse, ein wenigstens allgemeines Über-
sehen der literarischen und kulturellen Entwicklung.
Der Kunsthistoriker wächst in akademischer Schulung
heran und ist Philologe. Leidet die Kunstforschung zu
Zeiten unter einem allzu vordringlichen Philologentum,
so haben die Kunsthistoriker doch Gründe auf ihre
wissenschaftliche Erziehung stolz zu sein. Zuweilen
verirrt dieser Stolz sich in Hochmut gegen die Auto-
didakten, die jenseits der Universitätsdisziplin sich
selbst heranbildeten, und gegen die Berufsgenossen,
die trotz ihrer akademischen Instruktion einen un-
philologischen Vortrag pflegen. Nichts ist thörichter.
Gerade die Outsider haben der Kunstdeutung neue
Energien zugeführt. Es ist die Aufgabe der Kunst-

forschung diese Energien im philologischen Sinne zu
disziplinieren. Die Outsider waren die ersten, die mit
der sachlich trocknen Aufreihung brachen, die den
Kunsthistorikern ins Gewissen riefen, dass man nicht
nur nach Akten und Quellenwerken über Bilder schreiben
dürfe, sondern dass es auch wünschenswert sei die Bilder
selbst zu betrachten. Die fachliche Trennung ist in
Deutschland so scharf, dass in einem anderen Sinne auch
die Ästhetiker, Psychologen und Philosophen als Outsider
gelten. Gerade sie aber haben in den letzten Jahrzehnten
auf die Kunstgeschichte erspriesslich gewirkt. Durch sie
erkannte man deutlicher als früher, dass jede Ent-
wicklungsetappe der Menschheitsgeschichte einen ein-
heitlichen Charakter trägt und es schärfte sich den Blick
für die grossen und allgemeinen Zusammenhänge. Kein
zweites Volk der Erde hat sich im neunzehnten und
zwanzigsten Jahrhundert so eindringlich und ernsthaft
um das Verständnis der bildenden Künste bemüht wie
das deutsche. Wer später einmal die Geschichte der

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