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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 2
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Kunstausstellungen
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UNSTAUSSTELLUNGEN

HAMBURG

Bei Commeter war eine kleine An-
zahl von Werken des verstorbenen
Thomas Herbst zu sehen, zum gröss-
ten Teil aus Hamburger Privatbesitz stammend. Leider
war diese Ausstellung ein Lückenbüsser und etwas eilig
zusammentelephoniert, was aus zweierlei Gründen be-
dauerlich ist: einmal war es keineswegs die Ausstellung,
welche einen Begriff von der Lebensarbeit des Künst-
lers vermitteln konnte, und zweitens unterbindet sie
für längere Zeit die Möglichkeit einer solchen sorg-
fältig vorbereiteten, wirklich erschöpfenden Darstellung
Herbstscher Kunst.

Trotzdem konnte sich der Kunstfreund in den beiden
kleinen Sälen mit Freude der Empfindung hingeben,
dass ein wirklicher Künstler zu ihm spreche. Es hingen
dort, von ein paar Leinwänden abgesehn, lauter so-
genannte „echte Herbst", dörfliche Landschaften mit
Tieren und Figuren, und das kritische Bewusstsein, das
in Kollektiv-Ausstellungen besonders empfindlich wird,
spürte ganz leise die den meisten dieser Bilder gemein-
same Absicht heraus, in einem eleganten Hause gute
Figur zu machen, eine Absicht, die in den Werken
seines grösseren Freundes Liebermann so absolut un-
erkennbar ist. Vielleicht verkehrte Herbst allerdings
auch lieber und mit einem grösseren Zugehörigkeits-
gefühl in den Häusern, wo seine Bilder hingen, als
Liebermann, der sich wohl nie beim Malen gefragt hat,
wo seine Leinwände bleiben würden. Aber dieser leise
Einwand zwingt uns wiederum, zu bedauern, dass

fangs der neunziger Jahre entstanden sein müssen, ist
recht gross. Herbst hat die Wandlung seiner Palette
vollzogen, aus dem sanften Atelierlicht ist er mit der
damals jungen Generation hinausgetreten in das saftig-
brutale Grün der Wiesen, welche von der Impressio-
nistensonne bestrahlt werden. Merkwürdigerweise ist
es nun ein vor der Natur entstandenes Werk, (die
Hausreihe in Altenbruch mit dem Mädchen auf einer
weissen Bank, Abbildung Kunst und Künstler, Jahr-
gang XIV, io. Seite), in welchem sich die Erhellung und
Vernatürlichung seiner Farbe mit der Palettenschön-
heit von ehemals verbindet und so ein reines kleines
Meisterwerk schafft. Man sollte eher annehmen, dass
die langsam mit vielen Ubermalungen im Atelier fertig-
gestellten Arbeiten, bei denen Wissen und Reflexion
doch einen soviel grösseren Spielraum haben, diese
Vorzüge aufwiesen. Aber bei diesen hat das Streben
nach Helligkeit, häufig ein Kalkig- und Nüchtern-
werden der grünen und braunen Töne zur Folge. So-
auf der grossen „Bleiche". Trotzdem macht dieses
1906 gemalte Bild den Eindruck ganz reifer Künstler-
schaft: die Teilung der Fläche, die ausserordent-
lich feinfühlige Richtigkeit, mit der die Flecke der
Figur und der Wäsche hineingesetzt sind, das feste
Gefüge dieser saftvoll breiten Pinselstriche, die einem
Willen, einer Absicht unterthan sind, nirgends dem
Zufall dienen, obwohl sie so ganz spontan scheinen,
lösen in ihrer Gesamtheit ein Gefühl aus, wie man es
eben nur vor grosser Kunst empfindet. Ja, sie lassen
auf die Dauer sogar die bestechende, schmeichlerische
Tonschönheit der alten Bilder hinter sich. — Auch das

zwingt uns wiederum, zu Deaauern, uasa -----------------

Herbst in diese" Welt der Bürgerlichkeit und der Auf- andere Bild, der „Dorfeingang", hat etwas von dieser

t»ge so eingesponnen wurde, dass seine prachtvollen Grösse. Es ist eine semer lernen Arbeiten und^befand

Malerfähigkeiten eben doch von dem Gewände der sich unvollendet im Nachlas, Einige vom R«™»r

Hebenswürdigen Wohlanständigkeit da und dort an der eingefügte fertigstellende Pinselstriche an den Kühen

r • ^ .... 5 , e nd zwar nicht sehr glücklich. Aber

ganz freien Geste behindert wurden. —
Die Wollust des Sammlers und Ge-
niessers geht augenblicklich wieder auf
„schönen Ton" aus, und so finden drei
Stücke vom Ende der siebziger Jahre die
meisten Bewunderer. In der That sind
die kleinen Pferdebilder aus dem Beh-
rensschen Besitz und besonders die
„Fähre" (Dr. Rapp) von einem Ton-
zauber und einer weichen, gleichsam
streichelnden und nirgends spitzen Ma-
lerei, welche einem nur grosse Kunst
in Erinnerung bringen: um die zittern-
den Blätter der Uferpappeln wehen die
linden Lüfte Corots.

Der Sprung von diesen Bildern zu
den übrigen', deren früheste etwa an-

GUSTAV DORE, HOLZSCHNITT AUS
DEN „CONTES DRÖLATIQUES"

"b----------

sind zwar nicht sehr glücklich. Aber
schön ist hier sowohl die Farbe: ge-
dämpft, ein wenig erdig, wie auch die
Verteilung, die so garnichts Schema-
tisches hat und doch vollkommen aus-
gewogen ist.

Für kurze Zeit erblickten so diese
Bilder das Oberlicht des Ausstellungs-
raumes, dem sie nach dem Willen ihres
Schöpfers niemals ausgesetzt waren, und
kehren nun wieder in die Häuser zu-
rück, wo sie ebenso wie die vielen an-
deren Werke dieses Künstlers den
Blicken derer, welche die Geschichte
der Kunst schreiben, entrückt sind.

F. A.-H.

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