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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 3
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Friedländer, Max J.: Dürers Denken und Gestalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0095

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DÜRERS DENKEN UND GESTALTEN

VON

MAX J. FRIEDLÄNDER

Dürer, der sich über sein Thun Gedanken
macht, unterscheidet zwischen „Gebrauch"
und „Kunst". Unter „Gebrauch" versteht er Hand-
werksübung, unter Kunst aber gewiss nicht —, was
wir darunter verstehen, sondern ein der Praxis Ent-
gegengesetztes, also Theorie oder Schaffen aus Er-
kenntnis. Der uns geläufige Gegensatz von Kunst
und Wissenschaft lag dem Meister fern. Ihm und
seinen Zeitgenossen, namentlich seinen humanistisch
gebildetenFreunden,hob sich die Malerei aus dumpfer
Handwerkstiefe zu den Wissenschaften empor.

Dürer malt sich aus: die Kunst hat vor vielen
hundert Jahren geblüht; die Meister der heidnischen
Antike haben Vollkommenes hervorgebracht —
nicht von ungefähr. Sie wussten, was sie thaten,
und haben ihr Wissen in Bücher niedergelegt.
Diese Schrift aber ist verloren gegangen, damit
die Erkenntnis und die Kunst. Die Italiener haben
vor nicht langer Zeit ein Zipfel des Geheimnisses
gelüftet.

Darin sieht Dürer die Überlegenheit der italie-
nischen Renaissance — in einer Wiedergeburt der
Erkenntnis. Und sein Streben geht dahin, mit Hülfe
der Welschen sich und seine deutschen Werk-
genossen aufzuklären. „Wenn Du keinen rechten
Grund hast (also: nicht weisst, weshalb Du diese
oder jene Form so oder anders gestaltest), kannst
Du nichts Gutes machen, auch nicht mit der grössten
Freiheit der Hand." In diesem Misstrauen gegen
das Gefühl und die vorurteilslose Beobachtung hat
Dürer gewiss jeden welschen Meister, den er traf,
naiv und dringlich ausgefragt, dabei aber nicht viel
erfahren, indessen die Italiener den Wahn des
Deutschen nährten, indem sie vorgaben mehr zu
wissen als sie wussten.

Wenig belehrt aus Büchern, von Jacopo de'
Barbari und änderen Italienern, hat Dürer durch
eigene Versuche den „rechten Grund" gesucht und
ist schliesslich daran gegangen, sein Wissen in Druck
zu geben zu Nutz und Frommen der Deutschen.

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