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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0166

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CHRONIK

HANS OLDE

I

ist gestorben. Er wurde am 27. Apri! 18y5 zu Süder-
au in Holstein geboren und ist verhältnismässig spät
zur Kunst gekommen. Wenigstens war er schon 37
Jahr alt, als sein Talent zum ersten Male die allgemeine
Aufmerksamkeit anzog. Das war 1892 auf der Inter-
nationalen Münchner Ausstellung, die — kurz vor der
Begründung der Sezession — von Uhde geleitet wurde.
Olde hat einen ähnlichen Weg wie Corinth gemacht;
nachdem er bei LöfFtz in München gelernt hatte, was
Löfftz lehren konnte, ging er nach Paris und setzte sich
zunächst arbeitseifrig in die Ecole Julian. Im Gegensatz
zu Corinth aber sprang er dann frisch in den Impressio-
nismus hinein, der damals, 1882 und 1886, in zwei be-
rühmten Manifestationen gipfelte. Er gesellte sich den
ersten deutschen Pionieren der Lichtbotschaft Monets,
den Stremel, Baum, Gleichen-Russwurm; doch auch von
Pissarro, der 1886 leise dem Pointiiiismus zuneigte,
ist etwas in ihm gewesen. Soviel er aber durch die
Welt gefahren, — seine Heimat, Holstein, blieb das Land
seiner Sehnsucht. Dort führte er ein Einsiedlerleben,
hatte er sein eigenstes Worpswede. Ihm schwebte eine
Idee vor: er wollte einen deutschen Sinn in den fran-
zösischen Impressionismus bringen. So verliess er
manchmal die reine Naturanschauung, und so ist er
seinen Weg nicht zu Ende gegangen. Das alte deutsche
Malerschicksal. Seine beiden redlichsten Bilder sind:

jener kristallklare Wintermorgen (1892), da über den
! glitzernden Schnee des Bodens das weisse, kalte Licht
in tausend Farben schimmert und die Luft durchsichtig-
starr ist; das Bild hat eine gewisse innere Grösse: es
ist alles haarscharf, man möchte meiner: mit der Uhr
in der Hand gesehen und klar empfunden. Dann 1893
ein Sommerbild: der Schnitter, der heiss und hastig mit
der Sense fegt — das Licht hat die stärksten, durch-
dringendsten Töne; kein Schatten, — bloss die breite
Hutkrämpe bräunt das Antlitz des Bauers; sonst nur
Sonne und schwül starrende Luft. Aber damals schon
musste ich schreiben: ich liebe den Olde mehr, wenn
ich ihn in seinem sonderbaren Winter sehe, innerlich
warm vor der Natur schaffend, wenn die erwachende
Sonne durch den festen Frühnebel des schneeigen Tages
sprengt nnd an Baum und Strauch und weiter auf der
weissen Decke des Feldes diamantene Eisschichten
glänzen.. .Oldes ausgleichender Impressionismus wurde
später akademiefähig: man setzte den Holsteiner in die
Leitung der Weimarer Kunstschule ein. Olde hat auch
zwei Freiluftporträts gemalt, die sehr bekannt geworden
sind: seine berühmten Landsleute Storm und Liliencron;
beide Malereien leiden an einer gewissen Unverschmol-
zenheit. Er hat ferner, nach der traurigen Wirklichkeit,
den geistigen Zusammenbruch Nietzsches zeichnen
und radieren dürfen, ohne dass eine Tragik des Lebens
zum Ausdruck gebracht wäre.

Julius Elias.

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