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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Wilhelm Trübner
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Waldmann, Emil: Rodin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0200

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kultivierten Geschmack dienstbar und einem ungemein
sicheren Handwerk. Nicht einem bewegten und be-
wegenden Temperament. Stillebenhaft ist Trübners
Malerei, weil sie, selbst im leidenschaftlichen Motiv
von absoluter Ruhe ist. Wenn ein Maler wie Courbet
sogar in seinen Früchtestilleben noch dramatische Auf-
fassung der Natur verrät, so bekundet Trübner selbst
in einer Darstellung sich prügelnder Knaben ein unzer-
störbares Phlegma.

In diesen Grenzen ist Trübner der neuen deutschen
Malerei ein vorbildlicher Meister geworden. Ungleich,
oft eintönig sich wiederholend und mit grossen Leer-
stellen im Lebenswerk; aber doch ein Meister und ein
Vorbild. Einer der Bedeutendsten unter den neueren
Malern, neben Leibi und Liebermann, Feuerbach und
Marees. Er war eine einfache Natur, einfach bis zur
Systematik auf der einen Seite und bis zur Klassizität
auf der andern. Die natürliche Beschränkung seiner
Natur wurde ihm zur Kraft. Kein anderer ist so aus-
schliesslich Maler. Es ist für Trübner charakteristisch,
dass er niemals gezeichnet hat. Er fühlte, dachte und
sprach sich aus nur als Maler, mit dem Breitpinsel das
Licht in Farbe verwandelnd, die Farbe im Licht ver-
klärend, die Erscheinung in Flächen zerlegend und sie
daraus musivisch wieder aufbauend. Er war weder Er-
zähler noch Deuter, er war in keiner Weise eine Schwarz-
weiss-Natur — er war nichts als Maler. Die Eindeutig-
keit, Kraft und Ausgiebigkeit des Malertalents aber
sind wie ein Wunder. Mit einundzwanzig Jahren schon
steht ein Meister fertig da, unbeirrbar nur das er-
greifend, was ihm gemäss ist. Und diese Unbeirrbarkeit
ist ihm geblieben. Selbst in jener Periode, als die Er-
folglosigkeit ihn verführte, Kentauern-, Nymphen- und
Amazonenschlachtbilder zu malen und Anschluss an

eine Jahrzehntmode zu suchen, blieb er seiner Mal weise
grundsätzlich treu. Er hat damals schlechte Bilder ge-
malt, aber er hat nicht untrübnerisch gemalt. Und auch
im letzten Jahrzehnt, wenn Trübner Garten- und See-
landschaften oft gar zu fabrikationsmässig herunter-
gemalt hat, um die Konjunktur zu nützen, ist er sich
selber nicht eigentlich untreu geworden. Er war so
sehr ein guter Handwerker, dass ihm selbst die gewohn-
heitsmässige Arbeit von selbst zur Qualität geriet.
Als ein Meister-Handwerker wird er darum in der Ge-
schichte der deutschen Kunst seinen Platz behaupten.
Nicht als Impressionist oder sonst als ein Vertreter des
Zeitgeistes — denn es war in ihm ebensoviel Altdeut-
sches wie Neudeutsches —, sondern als ein in eine
revolutionäre Zeit verschlagener Mann der Werkstatt,
nicht eben sehr sicher im Geistigen, nicht immer über-
zeugend von selten des Kunstgefühls, unzulänglich oft
in der Gestaltung, von höchster Sicherheit und Über-
zeugungskraft aber in der Organisation der ihm ver-
liehenen Mittel. Es ist möglich, dass Trübners Ruhm
zeitweise erschüttert wird, dass die angreifbaren Punkte
seines Lebenswerkes von der neuen Generation nun
mehr hervorgehoben werden als bisher. Stets aber wird
sein Ruf sich von selbst wieder herstellen, weil er in
einem Punkte wenigstens vollkommen war und das
eine so gethan hat, dass es ein Ganzes zu sein scheint.

Wir begnügen uns mit diesen wenigen Worten.
Es ist in diesen Blättern so oft und so viel über
Trübner gesprochen worden, dass die ausführliche
Würdigung schon vorweggenommen erscheint. Es wird
von dem Künstler auch weiterhin noch oft die Rede
sein, weil er als Lebendiger fort und fort durch die
deutsche Kunst dahingehen wird.

Karl Scheffler.

RODIN f

Vermutlich wird man später einmal Rodin als den
Inbegriff der Plastik des neunzehnten Jahrhun-
derts werten. Die Individualität, die sich durchsetzt im
Kampfe gegen die bisher gültigen Stilgesetze: das mag
schicksalhaft für die Kunst dieser Epoche erscheinen.
Zu einer Zeit, wo der Klassizismus alleinherrschend
war, wo man von der Skulptur stillschweigend einen
Zusammenhang mit architektonischen Gebundenheiten
verlangte, kam ein Mann, der, so schien es, nur aus
seiner Seele und seiner Empfindung heraus Statuen
machte, die, wenn man sie nicht als Seelenausdruck
empfand, überhaupt keine Existenzberechtigung hatten,
die nicht so standen wie die Geschöpfe der Griechen
stehen und die in Architekturräumen ungeheuer schwer
aufzustellen waren. Sein „ViktorHugo", eine Versteine-
rung des Augenblicks der Inspiration (also: Literatur),

sein „Balzac" eine Grimasse, pathetisch und grotesk wie
eine Tuschzeichnung von Daumier, seine „Bürger von
Calais" ein missglücktes Denkmal ohne Zusammenhang
und noch dazu bestimmt, zu ebener Erde, ohne Sockel,
aufgestellt zu werden, so dass man wie vor Gespenstern
davonläuft; und sein „Höllentor" ein Fragment aus tau-
send Einzelheiten zusammengesetzt — das war ein bis-
chen viel für die Konvention und man versteht, dass
die Anerkennung für ihn sehr spät kam. Dann kam
sie und wurde zum Weltruhm. Und heute gilt das,
was er gebracht hat, bereits wieder als überwunden.
Wir, unsre Bildhauer, wollen etwas andres, sie wollen
Statik und Masse, Umriss und Rhythmus. Sie wollen
mehr als Impression. Aber was Rodin gebracht hat, ist
dennoch unsterblich, wie jede Revolution, die auf das
Natürliche ausging. Rodin brachte eine Beseelung der

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