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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 6
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Eberstadt, Rudolf: Eine Dorfsiedelung des achtzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0241

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EINE DORFSIEDELUNG DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS

VON

RUDOLF EBERSTADT

Die landesfürstliche Bauthätigkeit, wie sie sich in
Deutschland nach dem Abschluss des Dreissig-
jährigen Krieges entwickelte, empfing wohl bedeut-
same Anregungen aus Frankreich, zeigt indes eine
selbständige, von den ausländischen Verhältnissen
wesentlich verschiedene Ausgestaltung. Wenn auch
Schlossanlagen und Prunkbauten in grossem Um-
fang ausgeführt wurden, so ging doch in den gut
verwalteten deutschen Territorien das hauptsäch-
liche Ziel der Landesfürsten dahin, die Städte aus
den Verwüstungen der Kriegsjahre und ihrem tie-
fen Verfall wieder aufzurichten. In einem Werk,
das anderthalb Jahrhunderte füllt und nach neuen
Kriegsnöten oft von neuem aufgenommen werden
musste, wurde die Gründung neuer Städte, die An-
gliederung ganzer Stadtteile, die Errichtung einzel-
ner Bauten durchgeführt; eine Arbeit, die unsere
Wissenschaft vom Städtebau um so mehr würdigt,
als wir dem damaligen Schaffen zahlreiche Vorbilder
auf den verschiedensten' Gebieten des Bauwesens
zu entnehmen haben.

Die Vorsorge für den Städtebau bildete indes
nur einen Teil der gesamten Verwaltungspolitik,
die allgemein auf die Hebung des Gewerbewesens
und der Bevölkerungszahl gerichtet war. Die Ge-
werbeförderung kam hierbei vorzugsweise den
Städten zugute, da nach der damaligen Regelung
der Gewerbebetrieb — von den sogenannten
Landindustrien abgesehen — hauptsächlich auf die
Städte verwiesen war. Die Bevölkerungspolitik
dagegen galt in gleicher Weise, zum Teil sogar
•in überwiegendem Maasse, dem flachen Lande, des-
sen Besiedelung als eine dringliche Aufgabe erschien.
In Preussen wurde namentlich unter der Regierung
Friedrich Wilhelms L und Friedrichs des Grossen
der Bevölkerungsvermehrung des flachen Landes
eine gesteigerte Aufmerksamkeit zugewendet, dem
bekannten Grundsatz Friedrich Wilhelms gemäss:
„Menschen halte vor den gröhssten Reichtuhm."
Die umfangreichsten Unternehmungen der Landes-
melioration wurden durchgeführt, die Heran-
ziehung von Einwanderern wurde auf das eifrigste
betrieben und die aufgewendeten Mittel erreichen,
an den damaligen Verhältnissen gemessen, eine
ausserordentliche Höhe.

Aus dem ländlichen Siedelungswesen in Preussen
sei hier ein — in der Literatur meines Wissens
noch nicht behandeltes — Beispiel geschildert, das
eine Reihe eigenartiger Einzelheiten bietet und
zugleich in künstlerischer Hinsicht manchen be-
merkenswerten Zug aufweist; es ist die Ortschaft
Friedrichsthal, zweiunddreissig Kilometer nördlich
von Berlin, unweit Oranienburg gelegen, in deren
wechselvollem Schicksal die verschiedenen Formen
der preussischen Siedelungspolitik hervortreten.
Die Stätte des heutigen Friedrichsthal hiess früher
Grabsdorf; eine Bezeichnung, die noch jetzt in dem
benachbarten Grabowsee fortlebt. Das Dorf, das
schon um das Jahr 1^50 in den Urkunden er-
wähnt wird, war von einer Anzahl Bauern und
Kossäten bewohnt. Im Jahre 1691 kaufte Kur-
fürst Friedrich III. (der spätere König Friedrich I.)
das Lehnschulzengut und Hess die in dem Dorfe
ansässigen Landwirte versetzen. Das Dorf war hier-
mit verschwunden und das Eingreifen des Landes-
fürsten beginnt an dieser Stelle, was wir hervor-
heben wollen, zunächst mit einem „Bauernlegen."
Auf dem freigewordenen Gelände liess der Kur-
fürst ein Jagdschloss errichten, dem die Baulich-
keiten für Hofleute, Beamte und Bewirtschaftung
hinzutraten. Durch Verordnung vom i. Ok-
tober 1697 befahl der Kurfürst, dass der Ort
künftig Friedrichsthal heissen solle.

Die beifolgende Abbildung, deren Original im
Königlichen Geheimen Staatsarchiv in Berlin ver-
wahrt wird, giebt den Stand des Schlossbaues aus
der Zeit nach 1701. Die Anlage macht in ihrer
Gesamtanordnung einen überaus ansprechenden
Eindruck. Die streng symmetrische Gliederung ist
in jeder Einzelheit der Bauwerke, der Zierplätze und
der gärtnerischen Umgebung durchgeführt. Das
fürstliche Schloss selbst hat, im Verhältnis zu der
Ausdehnung der umliegenden Gebäude, keine
grossen Abmessungen; es tritt indes gleichwohl
deutlich als Kernpunkt der ganzen Planung hervor.
Seitwärts des Schlosses, ohne baulichen Zusammen-
hang mit ihm, sind zwei rechteckige Gebäudegruppen
angeordnet, die in späteren Urkunden als Marstall
bezeichnet werden. Der dem Schloss vorgelagerte
Ehrenhof erweitert sich zu einer bedeutenden

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