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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 8
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NEUE BÜCHER

Max Liebermann, 54 Steindrucke zu kleinen
Schriften von Heinrich von Kleist. Berlin, Br. Cassirer,
1917.

Ein schöner grosser Quartband liegt vor mir auf-
geschlagen: in Pergament gebunden, auf Büttenpapier
in deutlicher Schwabacher Fraktur gedruckt Kleists
kleine Gelegenheitsschriften, Schwanke, Artikel aus der
Berliner Abend-Zeitung undzwischendenText verstreut
Liebermanns Steinzeichnungen in den besten sammet-
schwarzen Abzügen. Sie vertragen sich gut miteinander,
der Dichter und der Zeichner, so gut, dass man es dem
Schicksal verargen möchte, das sieumeinpaarMenschen-
alter von einander getrennt hat.

Kleists Erzählungen sind so lebendig, als wären sie
gestern in die Druckerei gewandert. So könnte heute
noch irgendwo im Feldquartier abends bei trüber Lampe
und bei einem klaren Glas Wein ein Junker aus dem
preussischen Osten seine Schnurren erzählen. Er simuliert
nicht lange, packt das Leben, wie und wo es ihm be-
gegnet ist und nennt die Dinge ohne Flausen beim
rechten Namen. Er serviert uns keine Pointen und, was
er vorbringt, klingt manchmal fast alltäglich, aber es
weht ein herber Wind durch seine Erlebnisse und
zwischen seine Worte tönt es wie von fernem Trom-
melwirbel und Flintengeknatter. Und allmählich spürt
es auch der Ahnungslose, dass der schlichte Erzähler
ein grosser Dichter sei.

Liebermann war ihm ein guter Hörer. Wie sein
Griffel spielend dem Erzähler folgt erstehen die
Schwanke noch einmal in der knappen Bildersprache,
die, den Moment beleuchtend, das Zeitliche in ein
Räumliches verwandelt. — Früher Menzel und nun
Liebermann, das sind die rechten Interpreten für Kleist,
Söhne derselben Erde und desselben Geistes teilhaftig.
Sie beide schieren sich wenig um die Gesetze des
Buchschmucks, Menzel nicht und Liebermann womög-
lich noch weniger. Die Forderung der einheitlichen
Erscheinung des bedruckten und bezeichneten Blattes
ist ihnen vermutlich als ein theoretisches Vergnügen
erschienen, gut genug, um von Kalligraphen und
Kunstgewerblem befriedigt zu werden. Sie zeichnen
das Leben auf ihre Art. Mögen die Herren vom Verlag zu
sehen, wie sich ihre Kunst mit der des Druckers reime!

Liebermann schenkt uns in diesen Blättern mit leich-
ter Gebärdedie Gaben einer reifen Meisterschaft. Wie
der Stift über das Papier oder den Stein fährt, schafft
er Leben und bewirkt, wie alle gute Zeichnung, das
Wunder, auch die tote Fläche lebendig zu machen.
Das Papier wird Raum, Luft, Wasser, Licht, wie es
der Zauberstift lose umreisst. Bisweilen klingen Er-
innerungen an frühere Arbeiten hinein. Doch das ge-

schieht unbewusst; denn alles ist hier sehr gegenwärtig
und unbekümmert. Auch die Art, wie das Historische
behandelt wird. Die Menschen Kleists sehen aus wie
unsere Zeitgenossen, tragen unser Gewand und be-
wegen sich wie wir; kaum, dass hie und da der Versuch
gemacht wird, eine historische Uniform anzudeuten.
(Und dann sieht es gleich ein wenig wie Maskerade
aus.) Manches ist ganz unübertrefflich: das Liebes-
paar auf der Bank, der im Sturm geknickte Baum, der
Branntweinsäufer, der erzählende Offizier . . . doch die
Liste wird zu lang zum Aufzählen. Daneben stehen
dann auch Versager, zum Beispiel gleich die Medaille
mit dem jungen Reiter auf dem Umschlag. Auf derlei
Antikisches verstehen sich mindere Begabungen besser.
Aber auch das gehört zu Liebermann — und zu Kleist.
Denn es sind nicht die Besten, die immer nur Gutes
produzieren. G. Pauli.

»

J. A. Beringer: Wilhelm Trübner. Band 26
der „Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben." Deutsche
Verlagsanstalt Stuttgart.

Nun ist endlich auch Trübner in die Klassiker-
Sammlung aufgenommen worden, und Beringer hat in
einer schönen Einleitung auseinandergesetzt, was wir,
was die deutsche Kunst an Trübner haben. Eine be-
sonders glückliche Formulierung seines Wesens sei hier
zitiert: „Trübners Begabung liegt in seinemunbedingten
Sinn für die farbige Erscheinung, für die Wahrheit der
Form, für die Einfachheit und die Vereinfachung seiner
Gestalten. In Trübners Charakter liegt es, dass er die-
sen Veranlagungen seines künstlerischen Wesens treu
geblieben ist, trotz aller anders gearteten Forderungen
und Wünsche der Zeit und des Lebens." Das ist eine
Charakteristik, die man sich gerne merkt, weil sie die
Sache trifft. Auch in den weiteren Betrachtungen
Beringers steht vieles Wertvolle. Er schildert die Ent-
wicklung einleuchtend und logisch und weist mit Erfolg
nach, dass der so oft mit Unrecht behauptete Bruch in
dieser Entwicklung nicht besteht, da die Bindeglieder
der mittleren Periode, vor allem die Bildnisse, für den,
der näher zusieht, eine eindringliche Sprache reden.
Auch Trübners Verhältnis zu Leibi ist treffend be-
zeichnet, etwas weniger treffend dürfte es sein, dem
französischen Impressionismus Leichtfertigkeit und
Flüchtigkeit vorzuwerfen. Überhaupt braucht man
Beringers Wertungen nicht unbedingt zu unterschreiben
— und in der Beurteilung des Kaiserdenkmal-Entwurfs
(„der auch als Tafelaufsatz in Silber auszuführen
wäre") und der Heidelberger Vvandbilder werden viele
andrer Meinung sein — das wirkliche Verdienst dieser

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