LOVIS CORINTH, LANDSCHAFT
MIT ERLAUBNIS DER HOFKUNSTHANDLUNG FRITZ GURLITT, BERLIN
LOVIS CORINTH
VON
GUSTAV PAULI
Am 2 i. Juli vollendet Lovis Corinth sein sech-
L zigstes Lebensjahr und überschreitet somit die
Schwelle, jenseits derer nicht nur die Leistung,
sondern schon das Alter des Mannes ihm den Respekt
der Jüngeren sichert, sofern sie einigermassen er-
zogen sind. Die hieraus messenden Annehmlich-
keiten sind nicht zu unterschätzen. Das Leben
verläuft fortan reibungsloser und entschädigt durch
äussere Bequemlichkeit für einiges Unerwünschte,
das es dem Bejahrten auferlegt. Der Berühmte mag
nun erst recht seines Ruhmes geniessen und welcher
Ruhm wäre wohl lieblicher als der des Künstlers?
Ihm fehlt jeder Beigeschmack des Grauens, der dem
Ruhm des grossen Feldherrn oder Staatsmannes an-
haftet; ihm ist auch längere Dauer und hellerer
Glanz verliehen. Dessen wird man wieder einmal
inne, wenn ein festlicher Anlass die Verehrer eines
berühmten Künstlers in Person oder im Geiste um
ihn versammelt, und wenn ein jeder sich bemüht
in verschiedenen Worten dasselbe zu sagen. Alle
haben ihn von je geliebt und verstanden; alle sind
ihm dankbar und alle wünschen ihm Glück und
langes Leben. Schon aus Rücksicht auf die Geduld
des Gefeierten sollte der einzelne Gratulant sich
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MIT ERLAUBNIS DER HOFKUNSTHANDLUNG FRITZ GURLITT, BERLIN
LOVIS CORINTH
VON
GUSTAV PAULI
Am 2 i. Juli vollendet Lovis Corinth sein sech-
L zigstes Lebensjahr und überschreitet somit die
Schwelle, jenseits derer nicht nur die Leistung,
sondern schon das Alter des Mannes ihm den Respekt
der Jüngeren sichert, sofern sie einigermassen er-
zogen sind. Die hieraus messenden Annehmlich-
keiten sind nicht zu unterschätzen. Das Leben
verläuft fortan reibungsloser und entschädigt durch
äussere Bequemlichkeit für einiges Unerwünschte,
das es dem Bejahrten auferlegt. Der Berühmte mag
nun erst recht seines Ruhmes geniessen und welcher
Ruhm wäre wohl lieblicher als der des Künstlers?
Ihm fehlt jeder Beigeschmack des Grauens, der dem
Ruhm des grossen Feldherrn oder Staatsmannes an-
haftet; ihm ist auch längere Dauer und hellerer
Glanz verliehen. Dessen wird man wieder einmal
inne, wenn ein festlicher Anlass die Verehrer eines
berühmten Künstlers in Person oder im Geiste um
ihn versammelt, und wenn ein jeder sich bemüht
in verschiedenen Worten dasselbe zu sagen. Alle
haben ihn von je geliebt und verstanden; alle sind
ihm dankbar und alle wünschen ihm Glück und
langes Leben. Schon aus Rücksicht auf die Geduld
des Gefeierten sollte der einzelne Gratulant sich
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