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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 9
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Schmidt, Paul Ferdinand: Karl Fohr: zur hundertsten Wiederkehr seines Todestages
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0356

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KARL PHILIPP FOHR, TIVOLI
FRANKFURT A- M. STÄDELSCHES KUNSTINSTITUT

KARL FOHR

ZUR HUNDERTSTEN WIEDERKEHR SEINES TODESTAGES

VON

PAUL FERD. SCHMIDT

Im tückischen Strom des Tiber, beim Baden, er-
trank Karl Fohr am Abend des 26. Juni 18 18:
ein blinder Zufallnahm den Zweiundzwanzigjährigen
hinweg. Wir sagen Zufall, obwohl wir von Spinoza
wissen, dass es Unsinn ist, Zufall zu sagen. Die
Trauer über das jähe Ende eines unserer Reichsten
und Feinsten zittert noch heut nach hundert Jahren
in uns nach, wenn wir die schlichten und innigen
Worte lesen, mit denen Diefenbach, sein Biograph,
die Katastrophe erzählt. Und Fohr ist nicht der erste
und einzige; viele der hochbegabten Jünglinge
mussten in jenen Jahren vor der Zeit, vor ihrer
Reife und Erfüllung die Erde verlassen, von Novalis

und Runge, von Kleist und Gilly bis zu Horny,
Erhard, Oldach, Rudolf Schadow. Ein grosses
Kapital an künstlerischer Kraft wurde mit gelassener
Geberde verschwendet; zu dem Ende — wir fühlen
es mit Bitterkeit — dass die grossen Einseitigen
Raum bekamen, die der deutschen Kunst nicht zum
Segen gereichten: Cornelius, Schadow, Kaulbach.

Nach aber hundert Jahren wird man vielleicht
einen Schritt weiter sein in dem Verständnis dieser
Verschiebung, vor der wir mit einem ähnlichen
Schauder des Nichtverstehens verharren, wie der
Voltairesche Zadig vor dem Vorsehung spielenden
Engel Jesra.

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