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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0202
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AUSVERKAUF

Auf dem Kunstmarkte herrscht fieberhafte Be-
wegung. Unbesehen fast wird gekauft und
überall fehlt es an Ware. Wohin mit dem Papier-
geld? Viele Tausendmarkscheine sind hinter Tapeten
schon sicher verklebt, aber es bleiben noch genug
Scheine, für die es an Anlagegelegenheiten fehlt.
Da erinnert man sich, daß Bilder, Graphik, Bücher
und Antiquitäten Wertobjekte sind. Von schwan-
kendem Kurswert zwar, aber vor der Hand
doch von steigendem Kunstwert. Im Atelier
können sich die Künstler der Käufer, die außer
der Adresse nichts von ihnen wissen, kaum er-
wehren. In den Ausstellungen prangt an jedem
dritten Bild ein Zettel „verkauft". Und da es
eine reaktionäre Kunst nicht mehr gibt, da jeder-
mann modern malt und zeichnet, so wird der
gestern noch verlachte Expressionist über Nacht
zum Publikumskünstler und zum Kapitalisten. Er
knurrt nun seinerseits über das Papiergeld, fürchtet
Vermögensabgaben, sucht Häuser oder Bauernhöfe
zu kaufen und wird zurückhaltend mit seinenWerken.

Den Käufern wären natürlich die alten Meister
lieber. Hier aber überbietet das Ausland auf Grund
unsres schlechten Geldstandes. Es erwirbt alles,
was internationale Geltung hat, es benutzt Deutsch-
lands Notlage und kauft aus dem Konkurs das
für den eigenen Haushalt Wertvolle auf. Unter uns
aber finden sich Händler, die ihre Dienste als
Aufkäufer anbieten, die bei diesen Schiebungen
reich werden und, um ihr Tun zu rechtfertigen,
natürlich edel klingende Weltanschauungen bereit
haben, obwohl sie in Wahrheit nicht besser sind
als Verräter an der deutschen Kultur. Und damit
das Ramschgeschäft mit der berühmten deutschen
Gründlichkeit vor sich gehe, strömen unaufhalt-
sam von den Museen die Kunsthistoriker in
den Kunsthandel. Wurden sie in ihren amtlichen
Stellungen schlechter besoldet als die subalternen
Museumsdiener, so empfangen sie aus der Hand
des Kunsthandels nun Bankdirektorengehälter. Was
ist solcher Lockung gegenüber Standesgefühl und
Gelehrtenstolz 1 Diese Leute helfen jetzt denselben

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